Riesiger Erdrutsch nach Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem im Rhein-Erft-Kreis
APA/AFP
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Erosionskorridore

Lehren für den Hochwasserschutz

Die jüngsten Hochwasserkatastrophen zeigen, dass manche Schutzmaßnahmen auch schaden können. Die Wassermassen begradigter Flüsse etwa spülten im Umland die Böden aus. Erosionskorridore könnten ein Teil der Lösung sein, erklärt ein Wiener Hydrologe.

Um Flüsse hochwassersicher zu machen, werden sie meist begradigt, ausgebaut und mit Dämmen versehen. Die Folge: Der Fluss fließt in diesen Becken schneller als in einem natürlichen Flussbett. Versagen die Dämme, weil das Hochwasser noch verheerender ist als angenommen, dann kann diese hohe Fließgeschwindigkeit zum Problem werden, erklärt der Hydrologe Christoph Hauer von der Universität für Bodenkultur Wien. „Diese sehr, sehr hohen Fließgeschwindigkeiten; diese hohe kinetische Energie trifft dann auf das Vorland.“

Massive Erosionsschäden in Deutschland

Passiert ist das gerade in Erfstadt in Westdeutschland. Das Hochwasser war stärker als ein Jahrhunderthochwasser. Ein solches dient als klassische Bemessungsereignis für den Hochwasserschutz. Werden die Hochwasserschutzelemente überströmt, dann baut der Fluss Energie ab, indem er sich regelrecht in den Boden gräbt. Im konkreten Fall ist die Erft aus ihrem Flussbett ausgebrochen und hat sich in eine Kiesgrube verworfen. Der Fluss suchte sich einen neuen Weg und hat dabei die Fundamente von Häusern und Straßen unterspült.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 19.7., 13:55 Uhr.

Ähnliches sei auch bei den Hochwassern 2002 und 2005 in Österreich passiert, erzählt Hauer. „Das war genau in diesen Bereichen, wo im Fließgewässer durch Brücken oder andere flussbauliche Veränderungen sehr hohe Fließgeschwindigkeiten aufgetreten sind und der Fluss dann begonnen hat, das abzubauen.“ Der Fluss trifft dann mit einer hohen Geschwindigkeit auf die Überflutungsflächen und damit auf Böden, die nur einen geringen Erosionswiderstand aufweisen.

Erosionskorridore einrichten

Besonders stark ausgeprägt sei diese Erosionsgefahr bei Flüssen im Mittelgebirge oder im alpinen Bereich, so der Forscher, der das Christian Doppler Labor für Sedimentforschung leitet. Das dort vorherrschende Gefälle würde die Fließgeschwindigkeiten noch weiter erhöhen. Falls möglich, sei es gut, Fließgewässern Platz einzuräumen, damit sie diese Erosionsenergie abbauen können. Dann sei es aber wichtig zu beobachten, wo der Fluss sein Sediment ablagert. Ansonsten entstehen neue Gefahrenquellen für Hochwasser.

Beobachten konnte das Hauer in Westnorwegen, wo er gemeinsam mit Kollegen vier Jahre lang den Fluss Flåmselva nach dem Hochwasser 2014 analysiert hat. Der Fluss hat das Material, das erodiert wurde, als er sich verworfen hat, in der Fjordmündung abgelagert, was neue Gefahrensituationen für Überflutungen geschaffen hat. Norwegen will zukünftig verstärkt auf Erosionskorridore als Hochwasserschutzmaßnahme setzen, erzählt der Hydrologe. Bei der Errichtung dieser Korridore komme es stark auf den Untergrund an.

„Ist der Untergrund durch Geröll geprägt, weist also große Steine und damit auch einen großen Erosionswiderstand auf, dann kann dieser Erosionskorridor kleinräumiger ausfallen.“ Handelt es sich eher um einen feineren Kieskörper, dann muss ein größerer Korridor angelegt und ein gutes Sedimentmanagement betrieben werden.