Mann mit Kindern wirf Schatten an die Wand
APA/dpa/Peter Kneffel
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Langzeitstudie

Bildung als einziger Ausweg für Benachteiligte

Sehr oft entscheidet die Herkunft, ob man später eher reich, gesund und einflussreich oder eher arm, krank und kriminell wird. Wie hartnäckig das soziale Erbe in vielen westlichen Industriestaaten ist, zeigt eine dänische Studie über drei Generationen mit insgesamt 2,1 Mio. Menschen. Bildung ist der einzige Ausweg für benachteiligte Gruppen.

„Wer hat, dem wird gegeben.“ Wer mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren wird, profitiert meist ein Leben lang davon. Am anderen Ende des sozialen Gefälles gilt das Gegenteil: Leben die Eltern in armen Verhältnissen, sind sie auf soziale Unterstützung angewiesen oder womöglich gar kriminell, hat man von Anfang an schlechte Karten. Die Chancen, dem eigenen Milieu zu entkommen, sind gering.

Diese Schieflage findet sich in den allermeisten westlichen Gesellschaften. Mitunter nimmt diese Ungleichheit sogar zu, selbst wenn der allgemeine Wohlstand steigt. Das ist etwa auch in Dänemark der Fall. Dort ist der Gini-Koeffizient – ein Maß für die Ungleichkeit von Gesellschaften – von 0,25 im Jahr 2004 auf 0,28 im Jahr 2018 gestiegen, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Signe Hald Andersen von der Universität Kopenhagen in ihrer soeben im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienenen Studie. Dennoch sei Dänemark verglichen mit anderen Ländern, wie z.B. den USA, noch relativ gerecht bei der Einkommensverteilung, bei der Gesundheitsversorgung oder beim Sozialsystem. In Österreich betrug der Gini-Koeffizient 2019 übrigens 0,275.

Fünf Prozent am unteren Rand

Aber auch im skandinavischen Vorzeigestaat Dänemark wird einem der Sozialstatus in die Wiege gelegt und besiegelt das weitere Schicksal, wie die Drei-Generationen-Analyse von Andersens Team verdeutlicht. Die mittlere Generation umfasst dabei 636.385 Männer und Frauen, die zwischen 1974 und 1984 in Dänemark geboren wurden. Anhand von auf nationaler Ebene erfasster Daten wurde quantifiziert, wie oft die Personen von 2006 bis 2016 bestimmte öffentliche Leistungen in Anspruch genommen haben: Aufenthalt in Krankenhäusern wegen körperlicher oder psychischer Probleme, der Bezug von Sozialhilfe und im Gefängnis verbrachte Tage.

Wie sich zeigte, konzentrierten sich die meisten gesundheitlichen und sozialen Probleme auf einen Bruchteil der untersuchten Population, nämlich auf nur fünf Prozent. Hundert Prozent aller psychiatrischen Hospitalisierungen und mehr als drei Viertel aller Inhaftierungen gab es in dieser Gruppe.

Status pflanzt sich fort

In einem nächsten Schritt haben die Forscherinnen und Forscher diese Daten mit jenen der Elterngeneration und denen ihrer Kinder korreliert. Tatsächlich ließ sich eine gewisse Kontinuität zwischen den „sozial höchst Bedürftigen“ – wie die Autoren die Betroffenen nennen – in den jeweiligen Generationen feststellen. D.h., wer eine Mutter oder einen Vater hat, der Sozialhilfe bezieht oder schon einmal im Gefängnis war, hat selbst ein deutlich erhöhtes Risiko, dasselbe Schicksal zu erleben. Gehörte bereits die Mutter zur „bedürftigsten Gruppe“, war das Risiko auch selbst dazu zu zählen neunmal so hoch als für Menschen aus sozial weniger auffälligen Familien.

Das soziale Erbe ließ sich bis in die dritte Generation nachzeichnen. Kinder, die schon Erfahrung mit Kinderschutzbehörden haben, stammen häufig von Eltern und Großeltern, die selbst sozial Probleme haben bzw. hatten.

Bildung als Ausweg

Danach haben die Forscher analysiert, welche Rolle Bildung in diesem Teufelskreis spielen könnte. Auch die Bildung vererbe sich in der Regel. Etwas mehr als ein Viertel der untersuchten mittleren Generation hat die Schule vor dem 12. Bildungsjahr verlassen. Unter den frühen Abgängern waren besonders häufig jene, deren Eltern schon zu den „sozial Bedürftigen“ gezählt hatten. War die Mutter betroffen, verdoppelte sich das Risiko für einen früheren Abgang. Später zählten die frühen Abgänger besonders häufig selbst zu den „sozial Bedürftigen“.

Auf der anderen Seite konnte jene, die zwölf Jahre oder länger eine Schule besuchten, die „soziale Familientradition“ auch unterbrechen, berichten die Forscher. Bei ihnen war das Risiko zur schwächsten sozialen Gruppe zu gehören nicht höher als für Menschen, deren Eltern nicht zu den „bedürftigsten“ fünf Prozent gehörten. Das zeige der Vergleich mit der vorhergehenden Generation sowie mit Geschwistern. Ob der längere Bildungsweg tatsächlich die Ursache für die Verbesserung der sozialen Umstände ist oder ob noch andere Faktoren eine Rolle spielen, müsse erst geklärt werden, heißt es in der Studie: „Um den Kreislauf von Benachteiligung und Ungleichheit zu durchbrechen, kann es sich jedenfalls lohnen, mehr in die Bildung junger Menschen zu investieren.“