Gämsen im Zoo
APA/OTTO KALENSKY
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Erderwärmung

Warum es Gämsen in den Wald zieht

Gämsen verlieren auf Grund der Klimaerwärmung an Körpergewicht. Das mindert ihre Überlebensfähigkeit. Schutz bieten laut einer neuen Studie nicht nur das Hochgebirge, sondern auch tiefergelegene Wälder – dort ist es kühler und die Tiere sparen Energie.

Die Klimaerwärmung ist besonders in den Alpen spürbar. Die Lufttemperatur in Österreich hat sich doppelt so stark erwärmt wie im globalen Mittel. Das wirkt sich bereits jetzt auf die Tiere und Pflanzen im Gebirge aus. Ein Datensatz von mehr als 20.000 einjährigen Gämsen belegt nun: Je wärmer der Frühling und Sommer, desto stärker verlieren die Gämsen an Gewicht

Datensatz aus der Jagd

Den Datensatz, den der Forstwissenschaftler und Wildbiologe Rudolf Reiner von der Universität für Bodenkultur Wien gemeinsam mit Kollegen analysiert hat, stammt eigentlich aus der Jagd. In Österreich muss das Alter und das Gewicht jedes erlegten Tieres aufgezeichnet werden. So konnten die Forscher auf die Daten von 20.573 einjährigen Gämsen zurückgreifen, die zwischen 1993 und 2019 in der Steiermark, in Salzburg und Kärnten geschossen wurden.

„Wir konnten eigentlich frühere Studien bestätigen“, berichtet Reiner über die Ergebnisse, die im Global Change Biology erschienen sind. „Das Körpergewicht ist über die Jahre gesunken und dafür waren die Frühlings- und Sommertemperaturen ausschlaggebend.“ Zudem konnten die Forscher auch die Auswirkungen in verschiedenen Lebensräumen, im Hochgebirge und in bewaldeten Gebieten, analysieren. Und dabei zeigte sich: Nur die Gämsen im Hochgebirge haben in den letzten Jahren an Gewicht verloren.

Leben im Hochgebirge schwieriger

Bisher waren die Gämsen im Hochgebirge schwerer als die Gämsen, die in bewaldeten Gebieten lebten. Das liegt an der eigentlich sehr guten Nahrungsqualität im Hochgebirge, erklärt der Wildtierbiologe. „Je höher oben, desto kürzer ist zwar die Vegetationsperiode, aber desto höherwertig ist diese Vegetation.“ Gleichzeitig sei es wichtig, dass die Tiere im Hochgebirge die kurze Vegetationsphase nutzen und genug Nahrung aufnehmen können, um ein hohes Körpergewicht für den Winter anzulegen.

Doch das scheint immer schwieriger zu werden. Einerseits nimmt die Nahrungsqualität im Hochgebirge ab, da die Sonneneinstrahlung und die hohen Temperaturen die Pflanzen schädigen. Und andererseits geht die Gämsen bei hohen Temperaturen nicht mehr auf Nahrungssuche, sondern ruhen, wenn es ihnen tagsüber zu heiß wird.

Wald als Rückzugsgebiet

Anders im schattigen Wald: Dort braucht die Gämse weniger Energie, erklärt Rudolf Reiner, der auch für den Nationalpark Berchtesgaden tätig ist. Und sie kann auch bei Hitze auf Futtersuche gehen. Der Forscher nimmt an, dass die Gämse dort, wo es möglich ist, in höhere Lagen ausweichen wird, in den Hohen Tauern beispielsweise. Gleichzeitig wird sie auch in tiefere Lagen vordringen, wenn der Wald dort ausreichend felsige und steile Strukturen bereithält.

„Da kann es natürlich sein, dass die Gämsen die Triebe von jungen Bäumen verbeißen, also abfressen“, sagt Rudolf Reiner. Das könnte zu einem Problem werden. Denn die Akzeptanz für Huftiere, zu denen auch die Gämse zählt, ist im Wald viel geringer als im Hochgebirge.