Mikroskopaufnahme heutiger Schwämme
Elizabeth Turner, Laurentian University
Elizabeth Turner, Laurentian University
Evolution

Tierisches Leben wohl älter als gedacht

Tiere sind die am weitesten entwickelten Lebensformen auf unserem Planeten. Wann es das erste tierische Leben auf der Erde gab, ist bis heute ein wissenschaftliches Rätsel. Bis jetzt werden die ältesten Tiervorfahren auf etwa 560 Millionen Jahre datiert. Neue Funde fossiler Schwämme stellen das in Frage – sie sind über 300 Millionen Jahre älter.

Die Erde entstand vor 4,6 Milliarden Jahren. Dass tierisches Leben also nur eine Nebenrolle in der Erdgeschichte spielt, ist aus Sicht der Geologie unbestritten. Streitpunkt ist jedoch, wann es erste vielzellige Tiere auf unserem Planeten gab. Schwämme zählen dabei zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Die ältesten bekannten Schwammfossilien sind 535 Millionen Jahre alt.

350 Millionen Jahre älter als gedacht

Die genügsamen Wasserbewohner haben keine Organe und keine Nervenzellen, ihre verwesten Strukturen können jedoch in Kalkstein über hunderte Millionen Jahre hinweg erhalten bleiben. Solche Steine fand die Geologin Elizabeth Turner in den Mackenzie Mountains im Nordwesten Kanadas – vor Milliarden von Jahren einmal Meeresboden. Diese Gesteinsproben dürften etwa 890 Millionen Jahre alt sein.

Turner sammelte die Gesteinsproben in unwegsamem Gelände ein und schnitt dünnste Scheiben heraus. „Die werden dann unter dem Mikroskop, von unten beleuchtet, untersucht“, so Turner. Es zeigten sich so die Kristallschichten, aus denen dieses Kalkgestein besteht. Darin fand die Geologin schwammartige Strukturen, die bekannten jüngeren Schwammfossilien ähneln.

Auf der Suche nach Vorfahren

„Es war in gewisser Weise nicht überraschend, mögliche schwammartige Strukturen in Steinen zu finden, die etwa 890 Millionen Jahre alt sind“, sagt Turner. Die ältesten Schwammfossilien, die man kenne, seien zwar jünger, etwa 530 Millionen Jahre alt, müssten sich aber aus Vorläuferorganismen entwickelt haben. Turners Forschung würde also die Entstehung vielzelligen tierischen Lebens auf der Erden noch weiter nach hinten datieren. Folglich müsste es mehr als eine Milliarde Jahre alt sein.

Fundort der Fossilien: die Mackenzie Mountains in Kanada
Elizabeth Turner, Laurentian University
Fundort der Fossilien: Mackenzie Mountains in Kanada

Die Forschung müsse, so Turner, einen anderen Blick auf Fossilien werfen, nach Strukturen im Gestein suchen, die Vorläufer tierischen Lebens sein könnten. Unterstützts werden Turners Thesen durch molekularbiologische Forschungen: Seit man besser verstehe, in welchen Abstände es zu Mutationen und zur Weiterentwicklung von Organismen kommen, könne man genauer in der Evolution zurückrechnen, erklärt die Geologin.

Abgelegene Fundorte erschweren Forschung

Diese Forschung habe das Aufkommen von Schwämmen in jene Zeit zurückdatiert, aus der das Gestein der Untersuchung stamme, sagt Turner. Die Studie ist soeben im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“ erschienen. Sie werden dennoch für großen Wirbel unter ihren Kolleginnen und Kollege sorgen, ist Turner überzeugt. Denn noch gebe es keine vergleichbaren Funde aus anderen Teilen der Erde. Die Geologin erklärt das vor allem mit der beschwerlichen Suche nach entsprechenden Fossilien.

Sie selbst sammelte die Gesteinsproben gemeinsam mit einer Studentin in den Mackenzie Mountains über Wochen lang ein. Dafür brauche es in Kanada behördliche Genehmigungen und die Zustimmung der Ureinwohner, die in der Region leben. Das Gebiet selbst sei nur mit Helikopter, die interessanten Fundstellen dann nur nach langen Wanderungen zu erreichen. „Das ist nicht nur in Kanada so, viele andere interessante Untersuchungsregionen sind ebenfalls abgelegen“, so Turner. Es werde also vermutlich noch einige Zeit dauern, bis andere Funde ihre Thesen bestätigen könnten.