Babylonische Tontafel mit geometrischen Aufzeichnungen
UNSW Sydney
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Landvermessung

Schon die Babylonier konnten Geometrie

Eine 3.700 Jahre alte Tontafel zeigt, dass schon die Babylonier geometrische Prinzipien kannten und anwendeten. Offensichtlich konstruierten sie zur Landvermessung perfekte rechtwinkelige Dreiecke, lange bevor Pythagoras seinen berühmten Satz niederschrieb.

Die Tontafel mit der Bezeichnung Si.427 wurde bereits im 19. Jahrhundert im Irak gefunden. Sie stammt aus der altbabylonischen Zeit (ca. 1900 – 1600 v.Chr.). Daniel Mansfield von der University of New South Wales hatte in alten Ausgrabungsaufzeichnungen von der Tafel gelesen. Als er sich auf die Suche nach ihr machte, fand er sie 2018 in Istanbul, im archäologischen Museum. Danach dauert es noch eine Weile, bis er begriff, welch außergewöhnliches Objekt er vor sich hatte, erklärt Mansfield in einer Aussendung zur soeben im Fachmagazin „Foundations of Science“ erschienenen Studie.

Letztlich half es ihm ein weiteres Artefakt aus derselben Periode (Plimpton 322), das er bereits 2017 analysiert hatte, besser zu verstehen. Damals mutmaßte das Team, dass die Tontafel irgendeinen praktischen Nutzen gehabt haben muss, etwa bei der Konstruktion von Kanälen, Palästen und Tempeln. Auf Plimpton 322 findet sich nämlich eine Liste sogenannter pythagoreischer Tripel. Mit Hilfe solcher Tripel lassen sich rechtwinkelige Dreiecke entwerfen, das kleinste Tripel ist 3-4-5: Ein Rechteck mit den Seitenlängen 3 und 4 sowie einer Diagonale mit der Länge 5 beinhaltet zwei perfekte rechtwinkelige Dreiecke. Die Tripel sind positiven ganzzahlige Lösungen für den pythagoreischen Lehrsatz (Bei rechtwinkligen Dreiecken ist die Summe der Kathetenquadrate gleich dem Hypothenusenquadrat): a2 + b2 = c2

Exakte Grenzziehung gefragt

Si.427 lasse nun Schlüsse zu, wofür die Babylonier die Zahlenliste – Mansfield bezeichnet sie als eine Art Prototrigonometrie – verwendet haben: Vermutlich zeigen die in den Ton geritzten Rechtecke und Dreiecke Grundstücksgrenzen. Die Notizen gehörten wohl einem Landvermesser, erklärt Mansfield: „Es handelt sich um das einzige Katastraldokument aus dieser Periode. Der Plan zeigt ein Feld, das aufgeteilt wurde, nachdem es verkauft worden war.“ Damals wurde erstmals Land privatisiert, eine einwandfreie Grenzziehung um den Besitz wurde daher wichtig. Aus anderen Dokumenten der Zeit wisse man, dass es schon damals Konflikte bei der Landaufteilung gab.

Erschwerend kam laut Mansfield allerdings hinzu, dass die Babylonier ein Sexagesimalsystem verwendeten, also ein Zahlensystem mit der Basis 60. Deswegen können nicht alle Pythagoreischen Tripel (wie beim Dezimalsystem) verwendet werden. „Es sieht so aus, als wäre der Autor von Plimpton 322 durch alle Tripel gegangen, um die nützlichen zu finden“, so der Forscher. Die auf Si.427 festgehaltene Grenzziehung mache jedenfalls deutlich, dass die Babylonier schon ein echtes Verständnis von angewandter Geometrie hatten. „Inspiriert war ihre Mathematik durch praktische Probleme ihrer Zeit.“