Hochwasser in Braunau
APA/MANFRED FESL
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Extremwetter

„Das nächste Hochwasser kommt garantiert!“

Die Hochwasser im Juli 2021 haben gezeigt, welche verheerenden Folgen überschwemmte Flüsse nach sich ziehen können. In Österreich sei man für derartige Ereignisse relativ gut gerüstet, erklärt der Wiener Hydrologe Günter Blöschl. Die Schäden und die große Anzahl an Todesopfern in Deutschland hätten aber zum Teil verhindert werden können.

Im Juli 2021 kam es in Hallein zu Überschwemmungen in der Altstadt, die zum Teil große Schäden verursachten. In den deutschen Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz kamen durch kürzliche Hochwasser sogar mindestens 180 Menschen ums Leben. In Zukunft könnten solche Extremereignisse immer häufiger auftreten, erklärt der Wiener Hydrologe Günter Blöschl im Gespräch mit dem ORF. Zusammen mit einem internationalen Team verfasste er einen Bericht, der im Fachjournal „Nature Reviews Earth & Environment“ erschienen ist. Darin zeigen die Forscherinnen und Forscher die Ursachen, Auswirkungen und Muster desaströser Fluss-Überschwemmungen auf.

Klimaerwärmung, Verbauung und regulierte Flüsse

„Weltweit gesehen stellen wir eine Zunahme von Hochwassern vor allem im Nordwesten Europas sowie in Teilen Asiens und Afrikas fest“, erklärt Blöschl. Laut ihm gibt es für diese Entwicklung drei wichtige Treiber: „Erstens das Klima, zweitens die veränderte Landnutzung, wie etwa die Verbauung in Städten, und drittens wasserbauliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Flussregulierungen.“ International gesehen sei jedoch weiterhin die Erwärmung des Klimas der bedeutendste Grund dafür, dass immer mehr Flüsse manchmal überschwemmt sind.

In Südeuropa gebe es vermehrt regionale Hochwasser durch lokale Gewitter und Starkregen, dafür sinken dort die Überschwemmungen bei den großen Flüssen. In Osteuropa sind vor allem Hochwasser durch Schneeschmelzen problematisch, sie werden wegen tendenziell geringerer Schneemengen aber seltener.

Österreich bei Hochwasserschutz „gut aufgestellt“

Auch in Österreich könne man Veränderungen in diesem Bereich feststellen. „Nördlich der Alpen haben die Hochwasser tendenziell zugenommen und werden das vermutlich auch in Zukunft tun. Im Süden Österreichs ist diese Veränderung geringer. Kurze Starkregen, die zu kleinräumigen Überschwemmungen führen können, nehmen aber generell eher zu“, so Blöschl.

Zum Glück ist man in Österreich laut dem Wiener Hydrologen aber auf mögliche Extremwetter-Ereignisse relativ gut vorbereitet. „Das heißt nicht, dass keine Hochwasser mehr auftreten, sondern das heißt, dass sehr viel gemacht worden ist, in geeigneter Weise darauf zu reagieren“, erklärt Blöschl, der dabei etwa auf die Donauregulierung in Wien im Jahr 1870 oder das Schaffen der Neuen Donau in den 1970er Jahren mit den damit einhergehenden Hochwasserdämmen verweist.

Überschwemmtes Stadtgebiet in Hallein im Juli 2021
APA/VOGL-PERSPEKTIVE.AT/ MIKE VOGL
Stadtgebiet von Hallein im Juli 2021

Doch nicht nur an der Donau wurden Maßnahmen gesetzt, auch auf die Hochwassergefahr kleinerer Flüsse sei in Österreich geachtet worden. „Besonders im alpinen Raum mit der Wildbach- und Lawinenverbauung und der Konstruktion von Rückhaltebecken, aber auch mit baulichen Schritten bei anderen Flüssen wurden in der Vergangenheit wichtige Maßnahmen gesetzt, den Hochwasserschutz in Österreich voranzutreiben."

„Ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden darf, dass wir in Österreich über ein ausgezeichnetes System der Hochwasservorhersage verfügen“, so Blöschl, der darüber hinaus darauf verweist, dass die möglichen Folgen von Extremwetter-Ereignissen auch in der österreichischen Bauplanung einen recht hohen Stellenwert haben.

Bevölkerung in Deutschland von Hochwasser überrascht

Aus der Kombination eines Tiefdruckgebiets mit lokalen Gewittern und wassergesättigten Böden war es in den deutschen Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Mitte Juli 2021 zu starken Überschwemmungen etlicher Flüsse gekommen. Die Folgen waren trotz vorhandener Prognosen verheerend. Dafür mitverantwortlich ist laut dem Wiener Hydrologen der Umstand, dass in dem betroffenen Gebiet in der jüngsten Vergangenheit keine größeren Hochwasser aufgetreten sind. „Die Bevölkerung wusste also nicht, wie sie mit den Prognosen umgehen soll“, so Blöschl.

Riesiger Erdrutsch nach Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem im Rhein-Erft-Kreis
APA/AFP
Riesiger Erdrutsch nach Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem im Rhein-Erft-Kreis

Im Nachhinein könne man sagen, dass die Reaktion in Deutschland „verbesserungsfähig gewesen wäre“, erklärt der Wiener Hydrologe, der betont: „Eine der Kernaussagen in unserem Bericht ist, dass Hochwasserschutz nur dann besonders wirksam ist, wenn es ein Hochwasser-Bewusstsein gibt, das heißt, wenn sich die Bevölkerung darüber bewusst ist, dass katastrophale Hochwasser auftreten können.“

„Maßnahmen dürfen nicht nachlassen“

Neben dem Schaffen eines „Hochwasser-Bewusstseins“ sei es vor allem in Anbetracht der generell zunehmenden Hochwasserrisiken unumgänglich, technische Maßnahmen wie Hochwasserschutzdämme an großen Flüssen und Rückhaltebecken an kleineren Flüssen weiter voranzutreiben.

Außerdem müsse auch eine „langfristige Perspektive“ eingenommen werden. „Man sollte nicht nur an die nächsten vier Jahre denken, sondern auch, wie sich die Situation in den nächsten Jahrzehnten verändern wird. Dabei ist es wichtig, zusätzlich zu hydrologischen Fragestellungen, wie etwa zum Wasserstand oder der Größe der Überschwemmungen, auch die Interaktion mit dem gesellschaftlichen Handeln zu berücksichtigen“, so Blöschl, der dabei auf den sogenannten Levee-Effekt verweist. „Der Effekt beschreibt, dass sich, wenn ein hoher Damm gebaut wird, die Leute genau dort ansiedeln und sich sicherer fühlen“, erklärt der Wiener Hydrologe. Sobald die Dämme mit den Wassermassen aber nicht mehr zurechtkommen, sind die Auswirkungen für die dort lebende Gesellschaft natürlich gravierend.

Das Thema Hochwasserschutz dürfe generell nicht aus den Augen gelassen werden. „Es muss nach wie vor klar sein, dass Hochwasserschutz unbedingt erforderlich ist – nicht erst nach einem Extremereignis, sondern schon davor, denn das nächste Hochwasser kommt garantiert!“, so Blöschl abschließend.