Die „Mutantenjäger“ Luisa Cochella und Ullrich Elling mit einer Grafik, welche die prozentuale Verteilung verschiedener Corona-Mutationen zeigt, in einem Labor der „IMBA“ am BioCenter in Wien
APA/ROLAND SCHLAGER
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Therapieansatz

Mögliche Achillesferse des Coronavirus entdeckt

Forscher des Wiener Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) haben eine potenzielle Schwachstelle des Coronavirus gefunden: Zwei zuckerbindende Proteine könnten den Erreger am Eindringen in menschliche Zellen hindern.

Wenn das Coronavirus Zellen befällt, verschafft es sich mit dem Spike-Protein Zutritt, die Sache ist allerdings etwas komplizierter als bei Schloss und Schlüssel: So bestimmt etwa die Interaktion des Spike-Proteins mit dem Rezeptor ACE2, wie infektiös das Virus ist. Um sich vor der Immunantwort des Wirts zu verbergen, tarnt sich das Virus mit Hilfe einer Zuckerhülle an bestimmten Stellen des S-Proteins.

Blockierte Bindungsstellen

Das Team um IMBA-Gruppenleiter Josef Penninger kam nun auf die Idee, zuckerbindende Proteine, Lektine genannt, genauer unter die Lupe zu nehmen: „Intuitiv dachten wir, dass uns die Lektine helfen könnten, neue Interaktionspartner des Spike-Proteins zu finden“, so Studienautor David Hoffmann, ein ehemaliger Doktorand im Penninger-Labor am IMBA. Die Zuckeransatzstellen des Spike-Proteins sind bei allen zirkulierenden Varianten hoch konserviert. Durch die Identifizierung von Lektinen, die diese Stellen binden, könnten sich also therapeutische Maßnahmen ergeben.

Das Team entwickelte und testete eine Bibliothek mit über 140 Säugetierlektinen. Wie die Forscher nun im „EMBO Journal“ berichten, wurden zwei gefunden, die stark an das S-Protein binden: Clec4g und CD209c. Bei diesen beiden Proteinen handelt es sich laut Studienautor Stefan Mereiter „um Werkzeuge, die die Schutzschicht des Virus binden und damit das Virus am Eindringen in Zellen hindern können. Dieser Mechanismus könnte in der Tat die Achillesferse sein, auf die die Wissenschaft schon lange gewartet hat.“

Versuch mit Lungenzellen erfolgreich

In Zusammenarbeit mit Peter Hinterdorfer vom Institut für Biophysik der Universität Linz hat das Team mit biophysikalischen Methoden untersucht, wie die Lektinbindung im Detail abläuft. Die Forscher maßen zum Beispiel, welche Bindungskräfte und wie viele Bindungen zwischen den Lektinen und dem S-Protein auftreten. So wurde auch klar, an welche Zuckerstrukturen Clec4g und CD209c binden.

Eine weitere gute Nachricht: Das Team fand heraus, dass die beiden Lektine an der N343 genannten Position des S-Proteins binden. Diese spezifische Stelle sei so entscheidend für das Spike-Protein, dass sie bei keiner infektiösen Variante verloren gehen kann. Andere Gruppen hatten bereits gezeigt, dass Viren mit mutiertem N343 nicht gefährlich sind. Hoffnung gibt außerdem ein Versuch mit menschlichen Lungenzellen: Zumindest unter Laborbedingungen machen die beiden Lektine das Coronavirus tatsächlich weniger infektiös.