Frau mit Hörgerät am Ohr
Dragana Gordic – stock.adobe.com
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Cochlea-Implantate

Auf dem Weg zum „Super-Gehör“

Noch sind Hörgeräte dem natürlichen Hörsinn unterlegen, doch das könnte sich in Zukunft ändern: Laut dem österreichischen Akustikforscher Bernhard Laback wäre es möglich, Implantate direkt an das Gehirn anzuschließen.

science.ORF.at: Herr Laback, seit Sonntag läuft in Wien die 47. Jahrestagung für Akustik, nachdem die Konferenz im Vorjahr – sie hätte in Hannover stattfinden sollen – aufgrund der Pandemie abgesagt werden musste. Freuen Sie sich, dass die internationale Tagung heuer in Österreich stattfindet?

Akustikforscher Bernhard Laback
ISF

Zur Person

Bernhard Laback leitet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Forschungsgruppe „Psychoakustik und experimentelle Audiologie“.

Bernhard Laback: Ich freue mich natürlich sehr, dass wir die Ehre haben, die DAGA21 hier bei uns in Wien abhalten zu können. Meiner Meinung nach ist die Akustik ein sehr wichtiges Thema, das nicht genug Aufmerksamkeit bekommt. Daher ist so eine Veranstaltung natürlich eine gute Gelegenheit, den Bereich auch einem breiteren Publikum ein bisschen näher zu bringen.

Wie sieht Ihre Rolle bei der heurigen DAGA aus?

Laback: Ich bin bei der Tagung sehr stark im Einsatz, unter anderem durch einen eigenen Vortrag über das räumliche Hören und auch durch die Organisation eines größeren Themenbereichs, in dem es um räumliches Hören mit Hörbeeinträchtigungen geht.

Beim Thema des räumlichen Hörens mit Hörbeeinträchtigungen geht es unter anderem auch um die Verbesserung von Hörgeräten sowie von Cochlea-Implantaten. Worin liegt der Unterschied zwischen den Geräten?

Laback: Ein normales Hörgerät verarbeitet ein akustisches Signal, das über ein Mikrofon aufgenommen wird und gibt es dann über einen kleinen Lautsprecher akustisch an den Gehörgang weiter. Bei Cochlea-Implantaten wird ein Elektroden-Träger in das Innenohr implantiert. Auch hier werden akustische Signale aufgenommen. Diese werden dann aber an die Elektroden geschickt, die den Hörnerv direkt anregen. Das heißt, bei Cochlea-Implantaten kann der oft defekte Teil des Innenohrs sozusagen umgangen werden.

Welche Schwächen aktueller Hörbehelfe gilt es in Zukunft zu beheben?

Laback: Die mit Abstand größte Limitierung derzeitiger Cochlea-Implantate – aber auch von normalen Hörgeräten – ist die sehr grobe Frequenzauflösung. Unser normales Gehör ist sehr gut darin, die gerade relevanten Frequenzkomponenten zu extrahieren und herauszufiltern. Diese Fähigkeit ist sowohl mit aktuellen Hörgeräten als auch mit Cochlea-Implantaten stark eingeschränkt.

Hat es in diesem Bereich in den letzten Jahren nennenswerte Fortschritte gegeben?

Laback: Ja, zum Beispiel, dass die Geräte nun schon beidseitig verwendet werden und die Kosten dafür meist auch von der Krankenkasse übernommen werden. Traditionellerweise wurden Cochlea-Implantate zunächst nämlich nur auf einem Ohr implantiert. Natürlich ist das eine starke Einschränkung. Das wäre in etwa so ähnlich, wie wenn man von der Krankenkasse nur ein Brillenglas verschrieben bekommt. Um eine akustische räumliche Abbildung unserer Umwelt zu bekommen, brauchen wir nun einmal beide Ohren.

Gab es in den letzten Jahren auch bedeutende technologische Fortschritte?

Laback: Ja, mittlerweile ist es durch das ständige Verbessern der Geräte für hörgeschädigte Personen schon deutlich leichter geworden auch in komplexeren Umgebungen mit Störschallquellen aus verschiedenen Richtungen einem Sprecher noch einigermaßen gut folgen zu können. Hier wird aber weiterhin an Verbesserungsmöglichkeiten geforscht.

Wie könnten solche Verbesserungen aussehen?

Laback: Der ganz große Durchbruch ist noch nicht gelungen, aber er könnte möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft bevorstehen, denn aktuell gibt es zwei Ansätze in der Forschung, die erfolgsversprechend sind. Einige Akustikerinnen und Akustiker arbeiten derzeit etwa daran, das noch vorhandene Restgehör von vielen Betroffenen zu nutzen und mit den Signalen der Implantate bestmöglich zu vereinen. Tiefere Frequenzen könnten dann zum Beispiel auf natürliche Weise wahrgenommen werden, höhere über die Implantate. Das würde für Betroffene eine enorme Verbesserung der räumlichen Wahrnehmung bedeuten.

Und der zweite vielversprechende Ansatz?

Laback: Die andere wichtige Entwicklung, die aber noch im Tierversuch ist, geht in die Richtung, dass man versucht die Elektroden des Implantats noch näher an den Hörnerv heranzubringen. Derzeit sind die Elektroden noch im Innenohr und da gibt es sozusagen eine Trennwand zu den Hörneuronen. Der nächste Schritt wäre hier die Implantate direkt an dem Nerv anzubringen. Damit kann der Hörnerv noch gezielter angeregt werden. Theoretisch könnte es so auch möglich sein, dass Personen mit Cochlea-Implantaten in Zukunft besser hören als jene ohne Hörbeeinträchtigung.

In Zukunft könnte man sich also vielleicht ein „Super-Gehör“ implantieren lassen?

Laback: Rein theoretisch könnte das irgendwann möglich sein, ja. Aber bis es soweit ist, muss noch viel geforscht werden. Es gibt zum Beispiel auch Konzepte, äußere Reize direkt in das neuronale System einzuspeisen. Diese Zukunftsszenarien sind natürlich einerseits faszinierend, da sie gerade für Personen mit Hörbeeinträchtigungen einen enormen Fortschritt darstellen, andererseits sind sie in gewisser Weise auch furchterregend, da man in die neuronale Verarbeitung eventuell nicht zu sehr eingreifen sollte.