Eisvermessung am Jamtalferner
ÖAW/Daniel Hinterramskogler
ÖAW/Daniel Hinterramskogler
Glaziologie

Österreichs Gletscher zerfallen

Die Gletscher in Österreich schmelzen wegen der Klimaerwärmung nicht nur immer schneller dahin. Sie zerfallen teils sogar richtiggehend und stürzen in sich zusammen, berichten Forscherinnen und Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Nur einige winzige Exemplare sind noch im Gleichgewicht und wachsen im Winter beinahe so viel, wie sie im Sommer schrumpfen – etwa weil sie von Lawinen mit Schnee gespeist werden.

„Der Gletscherschwund ist ein großräumiger, übergeordneter Trend, aber einzelne Gletscher unterscheiden sich mitunter deutlich voneinander in der Art und Weise, wie und wie schnell sie schmelzen“, sagt ÖAW-Glaziologin Lea Hartl am Mittwoch in einer Aussendung. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen hat sie eine Bestandsaufnahme der Gletscher dreier Gebirgsgruppen in Vorarlberg und Tirol vorgenommen: Ötztaler Alpen, Stubaier Alpen und Silvretta.

“Gletscherzungen zerfallen“

Mit Hilfe von „Machine Learning“-Algorithmen untersuchten die Forscher und Forscherinnen, wie sich der Gletscherschwund seit 1969 veränderte. Das Ergebnis ihrer im „Journal of Glaciology“ erschienenen Studie: „Die Verluste haben nicht nur zugenommen, die Verteilung über die Gletscherfläche hat sich auch verändert.“ Zunächst waren sie noch recht gleichmäßig verteilt. Die Fließbewegung des Eises konnte das Abschmelzen an den Zungen teilweise ausgleichen. „Das ist immer weniger der Fall“, sagt Hartl. „Manche Gletscherzungen zerfallen regelrecht.“

Am Jamtalferner gibt es kaum Schneerücklagen, der Gletscher geht zurück – aber die Bäume wachsen
Andrea Fischer
Jamtalferner in Tirol

Gletschertagebuch

Seit vielen Jahren berichten die Gletscherforscher Heinz Slupetzky, Andrea Fischer und Hans Wiesenegger über den Zustand der Gletscher in Österreich – hier der bisher letzte Beitrag vom Mai 2021.

Immer mehr Seitenarme würden zudem die Verbindung zu den Hauptzungen verlieren. Gletschertore und andere unterspülte Bereiche stürzen ein. Solche Phänomene bringen die Gletscher immer weiter weg von einem Gleichgewichtszustand, wo sie die im Sommer verlorene Masse in der kalten Jahreszeit wieder dazugewinnen.

Gletscher hinken Klimaerwärmung hinterher

„Nur einige wenige, sehr kleine Gletscher, die kaum mehr als solche zu erkennen sind, haben sich wieder etwas mehr einem Gleichgewicht angenähert“, so die Glaziologin Hartl. Das seien aber Ausnahmefälle durch günstige lokale Gegebenheiten: wenn sie zum Beispiel oft durch Lawinen genährt werden.

„Die Ergebnisse reihen sich in das Gesamtbild der weltweit rapiden Gletscherveränderungen ein, das kürzlich auch im Bericht des Weltklimarates dargestellt wurde“, heißt es. Weil die Gletscher verzögert auf Klimaveränderungen reagieren, könnte sich ein neues Gleichgewicht selbst dann nur mit Verzögerung einstellen, wenn die Erwärmung zeitnah abgefangen würde.