Das neue Implantat für Diabetiker: künstliche Bauchspeicheldrüse plus Auflademodul und magnetische Pille
The BioRobotics Institute, Scuola Superiore Sant’Anna
The BioRobotics Institute, Scuola Superiore Sant’Anna
Insulinspiegel

Diabetes: Implantat ersetzt Bauchspeicheldrüse

Zwei Forscherteams aus China und Italien haben ein neues Gerät entwickelt, das in Zukunft das Leben von Diabetikerinnen und Diabetikern erleichtern könnte. Das Implantat wird durch magnetische Tabletten befüllt, im Tierversuch funktioniert die Methode bereits.

„Die intraperitoneale (innerhalb des Bauchfells gelegene) Lieferung von Insulin könnte die Behandlung von Typ-1 Diabetes in Zukunft revolutionieren“, erklären die Entwickler des neuen Geräts in einer Studie, die im Fachjournal „Science Robotics“ erschienen ist. Die neue Erfindung nannten sie PILLSID – ein Akronym für „pill-refilled implanted system for intraperitoneal delivery“.

Grafik: Magnetische Pillen wandern durch den Darm
The BioRobotics Institute, Scuola Superiore Sant’Anna

Die Wiederbefüllung erfolgt mit Hilfe magnetischer Pillen

Wirkt schneller als Insulinspritze

Laut einem der Mitentwickler, Izadyar Tamadon von der Scuola Superiore Sant’Anna in Pisa, ist eine Besonderheit von PILLSID die komplette Implantierung innerhalb des Körpers. „Es gibt dabei – außer dem eigenen Mobiltelefon als Kontrollgerät und einer Spule zum drahtlosen Aufladen – nichts, was sich außerhalb des Körpers befindet“, erklärt Tamadon gegenüber dem ORF. So seien auch Besuche im Schwimmbad oder andere sportliche Tätigkeiten möglich, bei denen aktuelle Blutzuckergeräte, die am Körper befestigt sind, Probleme bereiten könnten.

Das Gerät wiegt 165 Gramm und ist in etwa so groß wie ältere Modelle aufklappbarer Mobiltelefone. Es wird direkt außerhalb des Bauchfells implantiert und gibt Hormone wie Insulin automatisch über einen intraperitonealen Katheter ab. Aufgrund der vollständigen Implantierung von PILLSID wirke die Versorgung mit Insulin deutlich schneller auf die Körper der Betroffenen. „Wenn man sich als Diabetiker derzeit Insulin spritzt, merkt man die Effekte erst nach zehn bis fünfzehn Minuten. Mit unserem Gerät geht das deutlich schneller, weil das Insulin in der Bauchhöhle viel besser aufgenommen wird“, so Tamadon.

Nachfüllbar mit magnetischen Pillen

Die Technologie wirft natürlich einige Frage auf. Was passiert etwa, wenn das Insulin im Gerät zu Ende geht? Und wie funktioniert dessen Wartung? Für beide diese Fragen habe man Lösungen gefunden, so Tamadon: „Das Nachfüllen des Insulins funktioniert sehr einfach, Betroffene müssen nur magnetische Kapseln schlucken, die das Hormon enthalten.“ Die Pillen wandern dann durch den Darm und docken – über eine kleine Schnittstelle in der Darmwand – aufgrund ihrer magnetischen Eigenschaft automatisch am Gerät an. Mit einer Nadel wird das Insulin dann von PILLSID aufgenommen, wo es, je nach Bedarf, wieder automatisch an den Körper abgegeben werden kann. „Die leere Pille wird im Anschluss ganz einfach ausgeschieden“, so der Co-Autor der Studie.

Das neue Implantat für Diabetiker: künstliche Bauchspeicheldrüse plus Auflademodul und magnetische Pille
The BioRobotics Institute, Scuola Superiore Sant’Anna
Das neue Implantat

Die Wartung des Geräts funktioniere ähnlich. „Nach einiger Zeit im Einsatz kann es sein, dass das Gerät gesäubert werden muss, weil es zum Beispiel zu Verstopfungen kommen könnte“, erklärt Tamadon. Auch hier komme die magnetische Pille zum Einsatz. Anstelle von Insulin sei sie dann aber mit einer Reinigungsflüssigkeit gefüllt, mit der PILLSI ohne äußere Eingriffe gewartet und gesäubert werden kann.

Bluetooth im Bauch

Um ein langes und sicheres Arbeiten des Geräts zu garantieren, wurde PILLSID so entworfen, dass es Informationen via Bluetooth an Mobiltelefone, Tablets und Co. schicken kann. So können sowohl die Patientinnen und Patienten selbst als auch deren behandelnde Ärzte Einsicht in die Blutzuckerwerte sowie die Funktionen von PILLSID bekommen. So könne überprüft werden, wie viel Insulin noch im Gerät ist und ob es bald aufgeladen werden muss.

Das Aufladen funktioniert über eine externe Spule, die PILLSID drahtlos mit Energie versorgt. Tamadon erklärt: „Im Alltag könnte die Spule zum Beispiel in eine Art Gürtel eingebaut werden, mit dem man das Gerät dann ohne Probleme laden kann.“

Gerät wird noch an Schweinen getestet

Bis PILLSID aber tatsächlich bei Diabetikerinnen und Diabetikern zur Anwendung kommt, könnte es noch einige Jahre dauern. Derzeit befindet sich die Erfindung noch im Tierversuch – drei Schweine mit Diabetes wurden mit Prototypen des Geräts versorgt. „Wir haben viele Versuche mit den Tieren durchgeführt und konnten zeigen, dass PILLSID den Blutzuckerwert der Schweine sowohl genau aufgezeichnet hat als auch die passende Menge Insulin abgegeben wurde“, so Tamadon. Auch das Nachfüllen mit den magnetischen Pillen sei bereits an den Tieren erfolgreich getestet worden.

In weiterer Folge müsse PILLSID aber noch an Menschen getestet werden, bevor es im Alltag eingesetzt wird. Einige Verbesserungen im Bereich der Sensoren, um etwa Informationen über mögliche Fehlverhalten des Geräts zu bekommen, oder Änderungen im Design, um die Geräte mit jedem Körperbau kompatibel zu machen, seien die nächsten Schritte hin zu einer Anwendung im Alltag.

Derzeit konzentriere sich das Forscherteam auf die Behandlungsmöglichkeiten von Typ-1 Diabetes. Laut Tamadon kann der Einsatz des Geräts in Zukunft aber wahrscheinlich auch auf Typ-2 Diabetes oder andere Krankheiten, bei denen Betroffene Hormone oder Medikamente brauchen, ausgeweitet werden.