Ein Mann sitzt vorne übergebeugt und müde an einem Tisch
Getty Images/fStop/Halfdark
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Coronavirus

„Long Covid“ ähnlich wie chronische Erschöpfung

Die Krankheit „Chronic Fatigue Syndrom“ (CFS) kann nach Infekten auftauchen und Betroffene Monate bis Jahre unter chronischer Erschöpfung leiden lassen – ähnliche Symptome wie bei „Long Covid“. Eine neue Studie sieht auch einen ähnlichen biologischen Mechanismus, der hinter beiden Krankheiten stecken könnte.

Man ist ständig müde, der Körper ist kaum belastbar, schon aufstehen kann zu viel sein, teilweise kommen Konzentrationsschwächen hinzu. Unter solchen Symptomen leidet nicht nur geschätzt ein Zehntel nach einer COVID-19-Erkrankung. Mit diesen Einschränkungen müssen auch Menschen mit Chronic Fatigue Syndrom (ME/CFS) zurechtkommen – und das zum Teil bis zur jahrelangen Arbeits- und Bewegungsunfähigkeit, erklärt die klinische Immunologin Eva Untersmayr-Elsenhuber von der Medizinischen Uni Wien. „Was auch auffällt ist, dass bei beiden Patientengruppen der Schlaf nicht erholsam ist. Es ist nicht so, wie man das ja selbst kennt, dass man am nächsten Tag frisch ist und sich erholt fühlt, sondern oft ist genau das Gegenteil der Fall.“

Oxidativer Stress

Wie US-amerikanische Forscher und Forscherinnen in einem aktuellen Artikel im Fachjournal „PNAS“ schreiben, könnte hinter beiden Erkrankungen in manchen Fällen ein ähnlicher Mechanismus stehen. Demnach könnte eine überschießende Immunabwehr vereinfacht gesagt ein chemisches Ungleichgewicht im Körper auslösen. Genauer gibt es Beobachtungen, wonach der Sauerstoffgehalt im Körper außer Balance gerät, dadurch kommt es zu oxidativem und nitrosativem Stress, der Körperzellen erheblich schädigen kann. Das gilt zumindest für ME/CFS-Fälle, die nach einem Infekt auftauchen.

Darüber hinaus scheint in beiden Fällen der Energiestoffwechsel gestört zu sein. Das heißt, so Untersmayr-Elsenhuber, „dass Mitochondrien, die ja die Kraftwerke unsere Zellen sind, strukturell und funktionell verändert sind. Das ist auch in diesem Paper beschrieben, dass das vielleicht eine Rolle spielen könnte bei der Entwicklung von Long Covid.“

Keine Forschung, keine Therapie

Die Betonung liegt auf könnte, denn noch gibt es rund um beide Erkrankungen viele offene Fragen. Zwar ist das chronische Erschöpfungssyndrom in seinen unterschiedlichen Formen schon deutlich länger bekannt, trotzdem ist es kaum erforscht. Die Gründe: „ME/CFS ist eine unglaublich komplexe Erkrankung, sie ist multi-systemisch und betrifft die verschiedensten Organsysteme. Das heißt, es braucht ein interdisziplinäres Team, das hier zusammenarbeitet. Und das ist oft gar nicht so einfach auf die Beine zu stellen.“ Offiziell wird das Syndrom von der WHO als neurologische Erkrankung eingestuft.

Abgesehen davon dauert es im Falle von ME/CFS-Patienten und -Patientinnen oft Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Laut Untersmayr-Elsenhuber liegt der Durchschnitt bei sechs bis acht. Auch das erschwert die Suche nach den Ursachen. Diese zu kennen, ist aber notwendig, denn: „Nur mit Grundlagenforschung, nur mit entsprechenden Studien kann man dann auch eine gezielte, gerichtete Therapie definieren", erklärt die Medizinerin, die zur Zeit mit CFS- und Long-Covid-Patientengruppen forscht.

Coronavirus als Treiber für ME/CFS?

Momentan gibt es in Österreich rund 25.000 ME/CFS-Patientinnen und -Patienten, weltweit wird die Zahl auf bis zu 24 Millionen geschätzt. Die Dunkelziffer sei aber hoch, so die Immunologin. Wie die US-Forscher in ihrem PNAS-Artikel befürchten, könnte das Coronavirus die Anzahl der Betroffenen nun weiter in die Höhe treiben. „Das wird man sehen“, meint Untersmayr-Elsenhuber.