Technologieberater Tomas Pueyo in Alpbach
ORF/Nagiller
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Coronavirus

„Ein Tanz durch den Herbst“

Er gilt als einer der versiertesten Pandemieerklärer, obwohl er weder Epidemiologe noch Virologe ist. Der Technologieberater Tomas Pueyo hat Konzepte wie „Der Hammer und der Tanz“ und die „Schweizer-Käse-Strategie“ geprägt. Im ORF-Interview erklärt Pueyo, wie er die Lage für die kommenden Monate einschätzt – und wie man junge Menschen vom Sinn der Impfung überzeugen könnte.

„Warum wir jetzt handeln müssen“, so heißt Tomas Pueyos erster Blogartikel über das Coronavirus, der im März 2020 erschien. Mehr als 40 Millionen Menschen haben ihn angeklickt. Er wurde in rund vierzig Sprachen übersetzt. Ursprünglich habe er nur auf Social Media für seine Freunde geschrieben, erzählt der Technologieexperte. Doch das Interesse war groß, so begann er seine Analysen als Blogartikel zu veröffentlichen.

Dass der Artikel viral geht, damit habe er jedoch nicht gerechnet, erzählt Pueyo am Rande der Alpbacher Technologiegespräche. „Denn ein Artikel mit 25-minütiger Lesezeit und 30 Diagrammen sollte eigentlich niemanden interessieren. Aber es stellte sich heraus, dass die Welt genau das zu dieser Zeit brauchte.“

Zur Person

Tomas Pueyo ist Blogger und Technologieberater. Beim Europäischen Forum Alpbach hielt er einen Vortrag über Perspektiven der Post-Covid-Ära.

Europas weicher Hammer

Der Artikel traf einen Nerv. Pueyo fasst darin alles zur damaligen Zeit Bekannte über das Coronavirus zusammen und erklärt, warum manche Länder besser durch die Krise kommen als andere. „Wir hatten damals bereits zwei Beispiele. Wir hatten Südkorea und Italien. Und der südkoreanische Weg war wirklich gut.“ Wie dieser Weg aussieht, hat Pueyo mit der Metapher „der Hammer und der Tanz“ auf den Punkt gebracht. Es brauche harte Maßnahmen, wie beispielsweise Grenzschließungen und einen Lockdown, um die Infektionszahlen runterzubringen. Anschließend könne man öffnen und „den Tanz“ mit dem Virus wagen.

“Dass das funktionieren kann, hat man in Südkorea, Taiwan, Australien, Neuseeland, Island, aber auch in den atlantischen Provinzen Kanadas und auf Hawaii gesehen“, sagt Pueyo. Natürlich seien die Länder Europas stärker miteinander vernetzt und eine Abschottung daher schwieriger. Das allein sei aber nicht der Grund, warum man in Europa diesen Weg nicht beschritten habe. Es habe am politischen Willen und der politischen Führung gefehlt.

Metallstatue mit Nasen-Mund-Schutz
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Das Forum Alpbach findet heuer pandemiebedingt auch online statt

Er kenne beispielsweise kein Land in Europa, bei dem der Kontaktnachverfolgung das Recht eingeräumt worden wäre, dass man ihr wahrheitsgetreu Auskunft geben müsse, sagt Tomas Pueyo. Das sei aber sehr wohl in Südkorea, in Japan oder in Australien der Fall. Dort müsse man angeben, wen man getroffen habe.

Unsicherer Herbst steht bevor

Wie sich die Situation im Herbst entwickeln wird, sei schwer einzuschätzen. Einerseits sei die Delta-Variante zwei bis drei Mal ansteckender, andererseits seien bereits viele Menschen in Europa geimpft oder genesen. „Die Welle könnte also geringer ausfallen." Zudem sei die Anzahl an Infizierten kein guter Indikator mehr. Denn es sei ein Unterschied, ob man sich mit oder ohne Impfung infiziere. Die Impfung reduziere das Risiko an Covid-19 zu sterben um 90 Prozent. Eine Infektionswelle könnte daher eher akzeptiert werden.

Tomas Pueyo spricht sich klar gegen eine Impfpflicht aus. Man müsse gerade auch junge Menschen mit Argumenten von der Sinnhaftigkeit einer Impfung überzeugen. Etwa damit, dass zwar ihr Risiko an Covid-19 zu sterben gering sei, sie aber sehr wohl an Long Covid erkranken können. Konkret seien davon zehn Prozent der Jungen, die an Covid-19 erkranken, betroffen. Während die Wahrscheinlichkeit schwere Nebenwirkungen von der Impfung zu bekommen bei eins zu 100.000 liege.

Darüber hinaus hätten Regierungen abseits einer Impfpflicht viele Hebel, um Menschen zum Impfen zu bewegen. So könne der Staat, ähnlich wie er den Zugang zum Autoverkehr über den Führerschein regelt, auch den Zugang zum öffentlichen Leben reglementieren und einen Impfnachweis oder einen negativen Test verlangen. „Nicht wegen Ihnen, sondern weil Sie eine Gefahr für andere sind.“