Im Labor werden zum Nachweis einer Infektion Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Raum auf das Sars-CoV-2-Virus getestet.
APA/dpa/Oliver Berg
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20 Prozent entwickeln keine blockierenden Antikörper

Der Kampf gegen das Coronavirus könnte noch komplizierter sein als bisher angenommen. Laut einer neuen Studie Wiener Medizinerinnen und Mediziner entwickeln 20 Prozent der Genesenen keine Antikörper, die verhindern, dass das Virus neuerlich in die Zellen eindringen und sich vermehren kann.

Das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen nochmals erkranken. Wie gut das menschliche Immunsystem auf das Coronavirus reagieren kann, hat erst vorige Woche eine Studie bestätigt: Von 16.000 in Israel genesenen Patienten und Patientinnen erkrankten demzufolge nur 19 ein zweites Mal, also rund 0,1 Prozent. Eine Vollimmunisierung mit dem Pfizer-Biontech-Impfstoff war zwar etwas weniger effektiv, mit einer Reinfektionsrate von 1,5 Prozent aber immer noch sehr zufriedenstellend.

Reservoir für Virusverbreitung

Genesene können aber „ein Reservoir bilden, aus dem die Infektion immer wieder heraustreten kann“, sagte nun Rudolf Valenta vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen veröffentlichte er soeben im Fachjournal „Allergy“ eine Studie, die eben das nahelegt.

Für die Studie untersuchten sie die Antikörperantwort von rund 250 Menschen nach milden und schweren SARS-CoV-Krankheitsverläufen. Es zeigte sich, dass der entscheidende Immunschutz, der das Andocken und Eindringen in die Körperzellen verhindert, nur dann entsteht, wenn das CoV-Spikeprotein eine bestimmte, dreidimensional gefaltete Form hat. Rund 20 Prozent können diese spezifischen Antikörper aber laut Studie nicht bilden – und das ist vermutlich genetisch bedingt, wie Valenta gegenüber science.ORF.at erklärte.

Folgen auch für Impfstoffproduktion

„Nicht jeder, der infiziert ist, entwickelt Antikörper, die bei einem neuerlichen Viruskontakt verhindern, dass Virus in die Zelle eintritt und sich vervielfältigt.“ Dank der anderen Teile der Immunabwehr erkranken sie aber allermeist nicht noch einmal. Aus Sicht von Valenta wäre es sinnvoll, vor allem bei den zu Beginn geimpften Risikogruppen nachzuschauen, ob sie die blockierenden Antikörper tatsächlich entwickelt haben. Entgegen der Ansicht vieler Kollegen und Kolleginnen hält er auch nicht die ansteckendere Delta-Variante für die Ursache der steigenden Infektions- und Hospitalisierungszahlen, sondern das 20-prozentige Überträgerpotenzial der Genesenen.

Folgen der Studie sieht Valenta auch für die Impfstoffe: Sie sollten die Produktion virusblockierender Antikörper anregen, auch bei Menschen, die dazu selbst nicht in der Lage sind. Laut dem Mediziner wurde ein solches Vakzin an der Meduni Wien bereits entwickelt, klinische Studien dazu stehen aber noch aus.