Zwei Kakadus mit Essbesteck beim Fressen
Goffin Lab Tanimbar – Mark O’Hara
Goffin Lab Tanimbar – Mark O’Hara
Verhaltensforschung

Wilde Kakadus nutzen „Messer“ und „Löffel“

Ein Messer, ein kleiner Keil, ein Löffel – Forscherinnen und Forscher aus Österreich konnten beobachten, wie sich wilde Kakadus diese Werkzeuge aus Zweigen basteln. Verwendet werden sie, um Früchte zu knacken und die Samen zu löffeln. Ein Talent, das nicht vorprogrammiert sein dürfte. Denn nicht alle Artgenossen wissen mit Essbesteck umzugehen.

Dass Goffinkakadus innovativ sind und besonders geschickt im Umgang mit Werkzeugen, konnten die Forscherinnen und Forscher des Goffin Labs vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität bereits zeigen. Bis jetzt wurden diese Fähigkeiten allerdings vorrangig bei in Gefangenschaft aufgezogenen Vögeln beschrieben. Dem Kognitionsbiologen Mark O’Hara und der vergleichenden Psychologin Berenika Mioduszewska ist jetzt gelungen, auch wilde Kakadus im Umgang mit Werkzeugen zu beobachten.

Erst basteln, dann essen

Für den Versuch, den die Forscherinnen und Forscher in Zusammenarbeit mit dem Indonesischen Institut für Wissenschaften auf den Tanimbarinseln durchführten, wurden 15 wilde Vögel für kurze Zeit in eine Voliere gebracht. Dort servierte man ihnen Früchte des Seemangobaums, die im Inneren nahrhafte Samen haben. Zwei der Kakadus bastelten sich daraufhin aus Ästchen verschiedene kleine Werkzeuge, um die Früchte zu knacken, aufzuspalten und die Haut, die um den Samen liegt, aufzubrechen.

„Zunächst zwicken sich die Kakadus mit ihrem Schnabel dickere Äste ab, mit denen sie einen Spalt in der reifen Frucht aufklemmen“, so O’Hara gegenüber science.ORF.at. Neben dem Keil werden auch kleine Messer hergestellt. Dafür spalten die Vögel aus dickeren Ästen Holzfragmente ab. „Mit denen stechen sie dann in einer vertikalen Bewegung in die Frucht hinein, um die Haut, die um den Samen liegt, aufzustechen“, so der Kognitionsbiologe weiter.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 1.9. um 13.55 Uhr.

Messer, Löffel, Keil

Schließlich würden sie größere, längere Aststücke abzwicken, mit denen sie dann das Samenmaterial herausheben, schildert O’Hara. „Sie nutzen die Ästchen also wie Messer und Löffel, wie Essbesteck“, sagt der Forscher. Er und Kostudienleiterin Mioduszewska sammelten die benutzten Instrumente im Anschluss ein, analysierten die kleinen Holzwerkzeuge und die damit durchgeführten Aktionen.

„Dadurch konnten wir auch die Sequenz, wie diese Werkzeuge angewendet werden, analysieren“, sagt O’Hara. Den Beobachtungen und Analysen zufolge kommen Keil und Messer, mit dem der Mantel um Samen perforiert wird, immer vor dem Löffel zu Anwendung.

Individuelles Talent

Dass nur zwei der fünfzehn Kakadus diese Werkzeuge bauten und verwendeten, deute darauf hin, dass es sich um innovatives Verhalten und nicht um eine Art vererbte Programmierung handle, so der Kognitionsbiologe. O’Hara geht davon aus, dass jüngere Tiere den Umgang mit Werkzeugen von älteren lernen können. „Wir vermuten, dass diese Fähigkeiten auch eine Rolle für den Status in der sozialen Hierarchie der Vögel spielen könnten, müssen das aber noch weiter untersuchen“, so der Forscher.

Die genauen Zusammenhänge wollen die Forscherinnen und Forscher des Goffin Labs auch in Indonesien in freier Wildbahn weiter untersuchen. Dieses Beispiel innovativer Technologie im Tierreich sei jedenfalls herausragend und bei wilden Tieren noch selten beobachtet, resümieren sie.