Frau mit Nasen-Mund-Schutz in einer Fußgängerzone
Viacheslav Peretiatko / Adobe Stock
Viacheslav Peretiatko / Adobe Stock
Krisen-Kommunikation

„Kampfrhetorik ist nicht hilfreich“

Wie beurteilt Österreichs Bevölkerung die Pandemie? Eine Befragung zeigt: Es geht ein Riss durch die Gesellschaft. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen raten der Politik, vorausschauender zu kommunizieren – und Kampfrhetorik tunlichst zu vermeiden.

Ein Team um Anna Fassl und Elisabeth Klager vom Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient Safety (LBI DHPS) in Wien befragte 522 in Österreich lebende Menschen von 16 bis 80 Jahren, vor welchen Covid-19 Schäden sie sich fürchten, die sie und ihre Freunde heimsuchen könnten, wie sie mit dem Risiko einer Ansteckung umgehen und was sie von den Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen halten.

Meinungen „äußerst divers“

„Außer für die Schule, die eine große Mehrheit offen lassen würde, gab es sehr unterschiedliche, extrem auseinandergehende Meinungen“, berichtete Klager: „Manche Leute würden am liebsten alles geschlossen sehen, andere wollen sich trotz der Pandemie ausleben“. „Dieses Ergebnis zeigt deutlich die Spannungen in der Gesellschaft, und die Gefahr, dass sie weiter gespalten wird“, erklärte Brigitte Ettl von der Österreichischen Plattform Patientensicherheit in Wien.

Dies macht es schwierig zu definieren, welches Restrisiko die Gesellschaft in Österreich bei der Covid-19 Pandemie als angemessen akzeptiert, sagte Harald Willschke von der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der Medizinischen Universität Wien: „Die Meinungen dazu sind äußerst divers“.

Die Befragten gaben explizit an, dass sie Angst vor einer weiteren Spaltung der Gesellschaft und zum Beispiel privaten Konflikten zwischen geimpften Familienmitgliedern und Impfgegnern haben, so Klager. Außerdem fürchteten sie sich oft vor gesundheitlichen Schäden durch „Long Covid“, und dass sie oder Angehörige auf der Intensivstation landen oder sterben. Sie äußerten Ängste vor psychischer Belastungen, besonders bei Kindern und Jugendlichen durch soziale Isolation, und vor Depressionen. Dazu kamen Ängste um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, wie Arbeitsplatzverlust.

“Klar und neutral kommunizieren“

Experten aus der Medizin, Soziologie und Ethik erstellten aus den Ergebnissen der Befragung Empfehlungen für die Politik, wie man mit Covid-19 und anderen Herausforderungen im Gesundheitsbereich besser umgehen und größere Akzeptanz für die Maßnahmen dagegen erreichen könnte. Sie ergingen an die zuständigen Ministerien im Lande.

„Entscheidend wäre vor allem eine vorausschauende, strukturierte Kommunikation“, sagte Ettl. Man sollte sich intensiv damit beschäftigen, alle Menschen in einer für sie verständlichen Sprache und über die richtigen Kanäle anzusprechen. „Für manche sind das die klassischen Print- und TV-Medien, für andere sind wohl sozialen Medien im Internet zielführender“, meint sie.

„Eine Kampfrhetorik ist jedenfalls nicht hilfreich“, so Fassl. Man sollte komplexe Themen freilich klar kommunizieren, aber dies unbedingt neutral und sachlich tun. „Die Krise ist wie ein Brennglas, das bestimmte Probleme deutlich gemacht hat“, erklärte sie – etwa Lücken in der Medienkompetenz und Wissenschaftsvermittlung in Österreich. Diese könne man nur langfristig durch Bildung schließen.