Ein Mann hält Euro-Banknoten in der Hand
thodonal – stock.adobe.com
thodonal – stock.adobe.com
Ökonomie

Klimaerwärmung wird „verdammt teuer“

Hurricanes, Überflutungen, Dürren: Mit der Klimaerwärmung häufen sich Wetterextreme. Die Ökonomie versucht die kurz- und langfristigen Schäden, die dabei entstehen, in Geld umzurechnen. Das ist nicht ganz einfach, aber eines ist sicher: Die Klimaerwärmung wird „verdammt teuer“, wie es der Klimaökonom Gernot Wagner ausdrückt.

Über 11.000 wetterbedingte Naturkatastrophen hat die Weltwetterorganisation (WMO) seit 1970 registriert. Der konservativ geschätzte Schaden: drei Billionen Euro. Mit der Klimaerwärmung werden diese Naturkatastrophen häufiger, mit ihnen die Schäden an Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft.

Was die Klimaerwärmung pro Jahr genau kostet, ist schwer zu beziffern, sagt der Klimaökonom Gernot Wagner von der New York University. Aber: „Es ist verdammt viel, viele Billionen. Aber es geht nicht nur um die Dinge, die wir berechnen können. Es geht v.a. um die Extreme, die wir beobachten. Aktuell etwa die Dürre in Madagaskar, Überschwemmungen von New York bis Neuseeland. Die meisten dieser Ereignisse sind noch nicht in den Kosten-Nutzen-Rechnungen miteinbezogen.“

Ansatz aus der Reagan-Ära

Um zu messen, welchen Schaden Treibhausgase anrichten, hat die Ökonomie ein eigenes Maß entwickelt: die sozialen Kosten von Kohlenstoff, die Social Cost of Carbon (SCC). Die Logik dahinter: Wenn man eine Tonne Kohlenstoff ausstößt, verstärkt das die Klimaerwärmung – und verursacht einen monetär messbaren Schaden. Der Ursprung dieser Metrik für Klimaschäden liegt in der US-Regierung unter Ronald Reagan Anfang der 80er-Jahre. Damals ging es allerdings noch nicht um das Klima, sondern um Umweltschutz.

„Umweltschützer wollten bestimmte Maßnahmen setzen, und die konservative Regierung hat daraufhin gesagt: Nicht so schnell, wir machen eine Kosten-Nutzen-Rechnung und schreiben vor, dass sich ihr alle größeren politischen Initiativen unterziehen müssen – und nur abgesegnet werden können, falls die Nutzen die Kosten übersteigen“, so Wagner gegenüber science.ORF.at. Aus dieser Kosten-Nutzen-Analyse entwickelten sich alle Ansätze von heute, den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen mit einem Preis zu versehen – sei es als Steuer, als Emissionshandel oder in Mischformen.

Klimaökonom Gernot Wagner beim ORF-Interview
ORF
Klimaökonom Gernot Wagner beim ORF-Interview

25 Euro pro Tonne „extrem niedrig“

In den USA liegt der SSC unter der Biden-Regierung bei 51 Dollar pro Tonne CO2, der Ausstoß von noch klimaschädlicherem Methan und Distickstoffmonoxid ist noch weit teurer. Bis Jänner 2022 soll der Preis in den USA auf neuesten wissenschaftlichen Grundlagen neu berechnet werden – und dürfte auf mindestens das Doppelte steigen (nachdem er unter der Trump-Regierung, die dem Klimawandel kaum Bedeutung zumaß, bei einem Dollar lag).

Hierzulande wird der CO2-Preis aktuell im Rahmen der von der türkis-grünen Regierung geplanten Steuerreform diskutiert. Zuletzt wurde ein „Einstiegspreis“ von 25 Euro pro Tonne kolportiert. „Das ist extrem niedrig“, wie der Klimaökonom Gernot Wagner einschätzt. „Es gibt sehr viele Ungewissheiten bei den Berechnungen. Aber selbst mit den Dingen, die wir berechnen können, kommen wir auf einen Preis von mindestens 100 Euro. Und dann gibt es vieles, was wir nicht berechnen können, wo wir nur die Richtung wissen, aber es nicht quantifizieren können. Das würde den Preis noch viel höher machen.“

Kipppunkte machen alles noch viel teurer

Zu diesen Ungewissheiten gehören die sogenannten Kipppunkte der Klimaerwärmung. Also Entwicklungen, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr rückgängig gemacht werden können – etwa das Auftauen des Permafrosts, der Kollaps des Westantarktischen Eisschilds und der Zusammenbruch des Golfstroms. Gernot Wagner, gebürtiger Amstettener und Klimaökonom an der New York University, hat vor Kurzem dennoch mit Kollegen versucht, auch diese Klimaschäden zu quantifizieren.

Das Ergebnis der im Fachmagazin „PNAS“ veröffentlichten Metaanalyse: „Unsere äußerst konservative Berechnung besagt, dass diese klimatischen Kipppunkte die SCC jetzt schon um mindestens 25 Prozent erhöhen – und dass es eine große Bandbreite mit noch massiveren Auswirkungen gibt.“ So zeigen die Modellberechnungen auch ein zehnprozentiges Risiko, dass sich die Klimakosten durch alle Kippunkte zusammen verdoppeln. Die teuersten Kippunkte sind laut Studie die Auflösung von Methanhydraten auf dem Meeresboden und das Auftauen des Permafrosts. Eine Abschwächung des Golfstroms hätte aufgrund seiner kühlenden Wirkung aber sogar einen kostensparenden Effekt.

Abgebrochener Eisberg in der Antarktis
AFP – JOHAN ORDONEZ
Abgebrochener Eisberg in der Antarktis

Es braucht Steuern und Steuerung

Die Botschaft des Klimaökonomen Gernot Wagner an die Politik ist klar: Es müsse jetzt gehandelt werden. Auf Österreich gemünzt heißt das etwa: „eine ökosoziale Steuerreform mit deutlich höheren CO2-Preisen. Zugleich könnten andere Steuern gesenkt werden, allen voran die Einkommenssteuer.“ Wichtig sei es auch, die soziale Komponente nicht zu vergessen. „Eine ökosoziale Steuerreform wäre sehr progressiv, denn es sind die Reichen, die mehr Energie verbrauchen und CO2- verursachen“, so Wagner. „40 Prozent der ärmsten Österreicher haben kein Auto, das trifft auf die wenigsten der Reichen zu.“

Wichtig seien auch Steuerungsmaßnahmen in der Regional- und Kommunalpolitik: weg vom Ausbau der Speckgürtel und hin zu urbanen Zentren mit weniger Verkehr. „Es gibt Kosten, die wir derzeit nicht einbeziehen“, so Wagner. „Jeder Parkplatz in Wien kostet uns allen viel mehr als jene bezahlen, die den Parkplatz auch tatsächlich benutzt, das sind externe Kosten.“ Das Phänomen könne man zwar mit Steuern und Preisen „richten“. Es ginge neben Steuern, aber auch um Steuerung – etwa keine neuen Straßen für Autos zu bauen, sondern „Straßen für Radfahrer und Fußgänger zu öffnen, das ist auch Klimapolitik.“