Eine Gruppen von Menschen blickt aufs Smartphone
Mirko Vitali – stock.adobe.com
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Experiment

Faktenchecks wirken

Kann man Menschen in ihrer Blase überhaupt noch mit seriöser Information erreichen? Ein Experiment in vier Ländern liefert Grund zu Optimismus: Faktenchecks wirken gegen Fake News. Und falls doch nicht, dann schaden sie zumindest nicht.

Covid-19 und Klimawandel sind Themen, zu denen derzeit wohl die meisten Absurditäten im Internet kursieren. Zum Beispiel: Gurgeln mit Salzwasser verhindert Infektionen mit dem Coronavirus. Oder: Zwischen 2016 und 2018 war die Globaltemperatur der Erde so niedrig wie nie zuvor. Nachweislich falsche Behauptungen wie diese haben Forscher und Forscherinnen um Thomas Wood in ihrer jüngsten Studie unter die Lupe genommen. Beziehungsweise das Antidot dazu, Aufklärung durch sachliche Information.

„Als wir unsere Untersuchungen vor fünf Jahren begonnen haben, war Konsens, dass die Korrektur von Fehlinformation nichts bringt – und dass sie das Problem sogar verstärkt, weil sich Menschen noch stärker in ihrem Irrglauben vergraben“, sagt Wood. Wie der Politikwissenschaftler von der Ohio State University nun im Fachblatt „PNAS“ nachweist, waren diese Befürchtungen unbegründet.

Fake vs. Fakt: Versuch der Korrektur

2.000 Probanden und Probandinnen aus jeweils vier Ländern – Argentinien, Nigeria, Südafrika und das Vereinigte Königreich – hatten Wood und sein Team für ihr Experiment rekrutiert. Auf der Probe standen irrige und international verbreitete Behauptungen zu Covid-19 und dem Klimawandel (Salzwasser, Kälterekord). Sowie 20 weitere Fehlinformationen, die jeweils nur in den ausgewählten Ländern vorkamen.

Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid hatte etwa behauptet, die Zahl der Obdachlosen sei 2008 unter der Labour-Regierung so hoch gewesen wie nie zu vor und habe sich nun, unter der Führung der Unionspartei, halbiert. Tatsächlich stieg die Zahl der Obdachlosen seitdem um 39 Prozent. In Nigeria wiederum machte eine Behauptung des Ökonomen und Politikers Obadiah Mailafia die Runde, wonach die Jugendarbeitslosigkeit in seinem Land 70 Prozent betrage. Laut Regierungsdaten sind es aber 29,7 Prozent.

Diese Fehlinformationen teilte Wood auf die Probanden auf. Manche erhielten nur die falschen Behauptungen zur Ansicht, andere zunächst diese und dann den Faktencheck, die Kontrollgruppe weder das eine noch das andere. Ergebnis: Die Korrekturen (sie wurden vom International Fact-Checking Network für die Studie erarbeitet) erwiesen sich als wirksam. Durch die nachgereichten Berichtigungen ließ sich zumindest ein Teil der Fehlinformierten vom Gegenteil überzeugen. In Zahlen ausgedrückt: Auf einer Skala von eins bis fünf fiel die Zustimmung zu Fake-News im Schnitt um 0,59 Punkte. Das Umgekehrte testeten die Forscher ebenfalls, die Fehlinformationen nagte am Faktischen weitaus weniger, nämlich bloß mit 0,07 Punkten.

Gräben nicht vertieft

Was den ideologischen Hintergrund angeht, konnten Wood und sein Team keine Tendenzen erkennen, der Faktencheck war sowohl im linken wie auch im rechten Lager ähnlich effektiv. Und zwar nachhaltig: Ein neuerlicher Test zwei Wochen später bestätigte das Ergebnis. Freilich gab es unter den Teilnehmern der Studie auch solche, die immun blieben gegenüber den Interventionen der Wissenschaftler. In diesen Fällen, sagt Wood, habe es zumindest keine Fälle von „Backfire“ gegeben. Dass gut gemeinte Aufklärung die Gräben noch vertiefen könnte, wie zuvor vermutet wurde, bestätigt sich zumindest in dieser Untersuchung nicht.

Kann die Untersuchung auch etwas über das wirkliche Leben aussagen – inklusive all der Auseinandersetzungen in Online-Foren? Hier liefert die Studie mit ihren eingeengten Versuchsbedingungen wohl nur Hinweise. Einer davon lautet, dass der Einfluss von Faktenchecks relativ unabhängig von Land und Leuten sein dürfte. Argentinien, Nigeria, Südafrika und das Vereinigte Königreich sind wirtschaftlich wie auch als Gesellschaft sehr unterschiedlich, auf die Bilanz hatte das wenig Einfluss: Die fiel in allen vier Ländern recht ähnlich aus.