Jemand wird geimpft
APA/DPA-ZENTRALBILD/MARTIN SCHUTT
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Impfstoffentwickler

„Nicht auf unseren Impfstoff warten“

Seit vielen Monaten wird in Österreich in erster Linie mit mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 geimpft. Wirksamkeit und Sicherheit sind durch Studien eindeutig belegt, dennoch wünschen sich viele Menschen traditionelle Impfstoffe mit abgetöteten Viren. Ein Entwickler eines solchen Impfstoffs ruft nun dazu auf, mit dem Impfen nicht zu warten.

Beim österreichisch-französischen Pharmaunternehmen Valneva arbeitet man seit April 2020 mit abgetöteten Viren an einem Impfstoff gegen Covid-19. Dabei verwendet man das gesamte Coronavirus als Ausgangsbasis und behandelt es chemisch, damit es sich nicht mehr vermehren kann. „Das Endprodukt enthält dann abgetötete Ganzviren, die in ihrer äußeren Form, Struktur und Geometrie dem natürlichen Virus fast ident sind“, so Valneva-Geschäftsführer Thomas Lingelbach im Gespräch mit dem Ö1 Mittagsjournal.

Neben der Beigabe von Adjuvantien, mit denen Totimpfstoffe das Immunsystem ansprechen, ist das der größte Unterschied zu den bisher zugelassenen mRNA- und Vektorimpfstoffen: Während letztere das Immunsystem in erster Linie auf jenes Eiweiß des Virus sensibilisieren, mit dem der Erreger an Körperzellen andockt, zeigen Impfstoffe mit inaktivierten Viren dem Immunsystem ein detaillierteres Bild mit weiteren Proteinen. „Welche Rolle sie letztendlich wirklich bei Corona spielen, weiß man im Augenblick noch nicht. Die Antikörper, die durch unseren Impfstoff generiert werden, sind aber sicherlich jenen nach einer natürlichen Infektion am ähnlichsten.“

Zulassung in EU in erster Jahreshälfte 2022

Was das für den Schutz nach einer Impfung bedeutet, wird derzeit noch erforscht, auch von anderen Unternehmen. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zur Überprüfung angemeldet hat sich die chinesische Firma Sinovac mit einem inaktivierten Impfstoff, allerdings mit stark schwankenden Angaben zur Wirksamkeit, wie auch science.ORF.at berichtet hat. Valneva rechnet im Oktober mit ersten Ergebnissen aus Phase 3 der Impfstoffentwicklung. Bisher wurden in Phase 1 und 2 Sicherheit und Wirksamkeit überprüft, die ersten Ergebnisse waren ermutigend, nun laufen Tests in einer großen Gruppe. Sind auch hier die Resultate positiv, soll es eine erste Zulassung in Großbritannien bis Ende des Jahres geben, in der EU dann in der ersten Hälfte 2022.

Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
Weltweit wird an weiteren Corona-Impfstoffen gearbeitet, auch an Präparaten mit inaktivierten Viren. Mit der Zulassung wird es aber noch länger dauern, Valneva rechnet in der EU mit einer Marktzulassung im ersten Halbjahr 2022.

Vorher noch auf den Markt kommen könnte der Impfstoff des US-Unternehmens Novavax, der allerdings nicht mit inaktivierten Viren arbeitet, sondern das Spikeprotein enthält und über diese Schiene das Immunsystem ansprechen will. Das Unternehmen hat zuletzt einen Antrag auf Zulassung in den USA für das 4. Quartal 2021 angekündigt, für die EU gibt es noch keinen konkreten Zeitplan.

Valneva-Chef rät, mit Impfung nicht zu warten

Immer wieder äußern sich Menschen kritisch zu den bereits zugelassenen Impfstoffen, haben trotz zahlreicher Studien Sorge, dass die Technologie von mRNA- und Vektorimpfstoffen zu wenig erprobt sei und man hier lieber auf „traditionelle“ Ansätze warten möchte. Tatsächlich gibt es langjährige Erfahrung mit inaktivierten Impfstoffen, etwa bei Krankheiten wie Grippe, FSME und Hepatitis A. Thomas Lingelbach, der mit seiner Firma selbst einen solchen Impfstoff entwickelt, ist bei der Frage des Zuwartens aber sehr klar: „Bei Corona ist jede Impfung besser als keine Impfung. Ich halte es für extrem wichtig, dass wir eine hohe Durchimpfungsrate haben, um wieder zu einer Normalität zu kommen und Varianten hintan zu halten. Und ich versuche, jeden, mit dem ich rede, zu ermutigen, sich impfen zu lassen.“

Viel Potenzial sieht er in seinem Impfstoff vor allem langfristig mit Blick auf Auffrischungsimpfungen, der Impfstoff könnte hier eine Art Technologieplattform sein, die Auffrischungsimpfungen vereinfacht. „Aber ich ermutige jeden, nicht auf diesen Impfstoff zu warten“, so Thomas Lingelbach.