Silhouette einer Kohlmeise
dpa – PATRICK PLEUL
dpa – PATRICK PLEUL

Tiere werden zu „Gestaltwandlern“

Schnäbel und Schwänze wachsen, auch Beine und Ohren werden länger: Die Klimaerwärmung verändert die Körperform von vielen Tierarten, wie australische Forscher und Forscherinnen in einer neuen Überblicksstudie berichten – die Tiere werden zu „Gestaltwandlern“.

„Shapeshifting“ – das Wandeln der Gestalt -, so nennt das Forschungsteam rund um die Ornithologin Sara Ryding von der Deakin University in Melbourne die beobachteten Veränderungen in Körpergröße und Form von verschiedenen Tierarten.

„Wenn von Klimaerwärmung in den Medien gesprochen wird, lautet die zentrale Frage, ob der Mensch diese Krise überstehen kann. Dabei wäre es an der Zeit zu erkennen, dass auch Tiere davon betroffen sind“, so Ryding gegenüber science.ORF.at. In ihrem Review für die Fachzeitschrift „Trends in Ecology & Evolution“ klärt die Wissenschaftlerin darüber auf, wie veränderte Erscheinungen von Tieren als ein Indiz für die Klimakrise gedeutet werden können.

Von Vögeln bis Wildschweinen

Der Klimawandel betrifft Tiere überall auf der Welt. Zahlreiche Studien berichten von Verschiebungen der Lebensräume, Artensterben und Veränderung des Körperbildes – Ryding und ihr Team haben nun Beobachtungen aus der freien Wildbahn und Analysen von Museumssammlungen zusammengetragen und zitieren eine Reihe von Beispielen.

So nahm die Schnabelgröße von in Australien vorkommenden Papageien seit 1871 zwischen vier und zehn Prozent zu. Ähnliches wurde bei bestimmten Sittichen, Sperlings- und Schnepfenvögeln beobachtet. Neben Vögeln wurde die Wachstumstendenz bei Fledermäusen, Spitzmäusen und sogar bei Wildschweinen dokumentiert. Die Säugetiere weisen neben vergrößerten Flügeln eine Zunahme von Ohr-, Schwanz- und Beinlänge auf.

Die Langzeitfolgen der Klimakrise können somit in der Fauna beobachtet werden. „Die Größenzunahmen der Extremitäten und des Mundwerkzeuges sind bis jetzt noch eher gering“, meint Ryding. Andere ökologische Faktoren seien dabei von geringerer Relevanz, da alle Beobachtungen einen gemeinsamen Nenner aufweisen – die Klimaerwärmung.

Bessere Wärmeregulierung

Der biologische Hintergrund: Mundwerkzeug und Extremitäten vieler Tiere sind nicht nur charakteristische Merkmale ihrer Art, sondern besitzen lebensnotwendige Eigenschaften. Der Schnabel eines Vogels oder die Ohren eines Säugetieres sind unter anderem auch für die körpereigene Temperaturregelung verantwortlich. Überschüssige Wärme wird dabei an die Umgebung abgegeben und hilft die gewohnte Körpertemperatur zu regulieren.

Solche physiologischen Funktionen sind über die Evolution hinweg konserviert worden. Laut lange bekannten ökogeographischen Regeln sind Körperanhänge von Tieren – also Extremitäten, Schwanz und Ohren – in kalten Klimazonen kürzer als bei verwandten Arten in wärmeren Gebieten. Erwärmt sich der Lebensraum, beginnen die Körperanhänge zu wachsen – denn damit kann überschüssige Wärme besser abgegeben und der Körper gekühlt werden. Auch lange Beine, die einen größeren Abstand vom erhitzten Boden ermöglichen, sind evolutionär vorteilhaft.

“Versuch zu überleben“

Welche Rolle die Genetik dabei genau spielt, ist noch nicht bekannt. Die Forscherinnen und Forscher um Ryding gehen aber von einem Selektionsdruck für entsprechende Gene aus. „Der Gestaltwandel bedeutet nicht, dass die Klimaerwärmung den Tieren nichts ausmacht, sondern vielmehr versuchen sie, sie zu überleben“, betont Sara Ryding.

Wie die Evolution auf eine auf eine weitere Erhöhung der Temperaturen reagieren wird, bleibt natürlich abzuwarten. Die wahrscheinlichsten Kandidaten für weiteres „shapeshifting“ in den kommenden Jahren sind laut Studie aber bestimmte Singvögel, Frösche und kleinere Säugetiere.