Feuersäulen über Kanada
AFP/BC Wildfire Service
AFP/BC Wildfire Service

Wie sich Katastrophen gegenseitig beeinflussen

Bittere Kälte in Texas, Waldbrände am Amazonas, Hitze in der Arktis: Auch weit über den Globus verstreute Katastrophen und Exteremereignisse haben klare Verbindungen zueinander – und können sich laut einer Analyse gegenseitig verstärken.

Der Bericht „Interconnected Disaster Risks“ illustriere, dass von Menschen verursachte Katastrophen miteinander verbunden sind, dass sie aufeinander aufbauen und die Basis für künftige Katastrophen schaffen – so lautet das Resümee des Autorenteams von der Universität der Vereinten Nationen.

Zu den untersuchten Katastrophen zählten neben Waldbränden und Kältewellen auch der Zyklon Amphan, die Heuschreckenplage am Horn von Afrika sowie nicht zuletzt: auch die gegenwärtige Coronavirus-Pandemie. „Wir haben sehr unterschiedliche Ereignisse herausgepickt“, sagte Studienleiterin Zita Sebesvari von der UN-Universität. „Wir wollten bewusst nicht nur Ereignisse auswählen, die offensichtlich mit dem Klimawandel zu tun haben.“

Konnex Klima

Viele Katastrophen sind über das Klima verbunden. Die Autorinnen und Autoren nennen etwa die Hitzewelle in der Arktis und die Kältewelle in Texas. Die steigenden Temperaturen in der Arktis destabilisierten den Polarwirbel, eine sich drehende Masse kalter Luft über dem Nordpol. Dadurch könne kältere Luft in Richtung Nordamerika strömen. Temperaturveränderungen in der Arktis beeinflussten damit weitentfernte Orte – wie etwa den US-Staat Texas mit seinem normalerweise warmen Klima. Zu einem ähnlichen Ergebnis war letzte Woche auch eine Studie im Fachblatt „Science“ gekommen.

Zugleich verdeutlicht der Report, wie sich Katastrophen gegenseitig verstärken können. Beispiel ist etwa das Zusammentreffen der Corona-Pandemie und des Zyklons Amphan in der Grenzregion zwischen Indien und Bangladesch. Als der Zyklon die Region traf, vermieden viele Menschen aus Sorge um Abstand und Hygiene den Weg in Schutzunterkünfte und harrten an gefährlichen Orten aus. Der Zyklon selbst verschlechterte wiederum die Bedingungen für die Pandemiebekämpfung, da Gesundheitszentren zerstört wurden. Die Covid-19-Zahlen schnellten in die Höhe.

Corona verstärkte Heuschreckenplage

Auch bei der Bekämpfung der Heuschreckenplage in Afrika spielte die Pandemie eine problematische Rolle. „Corona hat dazu geführt, dass notwendiges Material zur Bekämpfung der Plage verspätet oder gar nicht ankam. Auch Experten konnten nicht oder nur verspätet in die Krisenregion reisen“, erklärte Wissenschaftlerin Sebesvari. In Beirut erschwerte die Pandemie ebenfalls die Bewältigung der Folgen der Hafen-Explosion – die Krankenhäuser waren bereits voll. Corona war eine Art Katastrophen-Katalysator.

Unzählige Tiere: Heuschreckenschwarm fliegt durch die Luft
YASUYOSHI CHIBA/AFP
Februar 2021: Heuschreckenschwarm in Meru, Kenia

Der Bericht nennt drei konkrete Ursachen, die für die meisten untersuchten Katastrophen verantwortlich gewesen seien: Treibhausgase, ein unzureichendes Katastrophenrisiko-Management und eine nicht ausreichende Abwägung von Umweltkosten und -nutzen bei politischen Entscheidungen. „Jede Katastrophe ist am Ende menschengemacht. Es gibt in diesem Sinne auch keine Naturkatastrophen. Es gibt nur Naturgefahren“, sagte Sebesvari. „Und dann kommt es darauf an, wie der Mensch mit ihnen umgeht.“

Lösungen sind möglich

Das Positive aus Sicht der Autorinnen und Autoren: Nicht nur die Probleme sind miteinander verbunden, sondern auch die Lösungen. Weniger Treibhausgase könnten „weitreichende positive Auswirkungen“ haben. Auch könne jeder Einzelne mit seinem Verhalten Katastrophen beeinflussen. Die Waldbrände im Amazonasgebiet etwa seien auch auf die globale Nachfrage nach Fleisch zurückzuführen. Um Soja als Futtermittel anzubauen, werde dort per Brand gerodet.

Man wolle nicht die Verantwortung auf jeden Einzelnen abwälzen, erklärte Sebesvari. „Aber es soll deutlich werden, dass jeder etwas beitragen kann. Dazu zählt etwa, weniger Fleisch zu essen oder Auto zu fahren.“ Ebenso wichtig sei, seine Verantwortung für Katastrophenvorsorge wahrzunehmen. „Man sollte zum Beispiel wissen, ob man in einem Gebiet lebt, das hochwassergefährdet ist.“