Ein Mann steht auf einem Berg Briketts
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Großteil von Kohle und Öl sollte unberührt bleiben

Im Boden lassen statt verbrennen: Laut britischen Forschern darf ein Großteil der weltweiten Kohle-, Öl- und Erdgasreserven nicht mehr gefördert werden, um die Erderwärmung effektiv zu verlangsamen. Verschiedene Länder sind davon unterschiedlich stark betroffen.

Im Jahr 2015 wurde das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Darin verpflichteten sich die fast 200 teilnehmenden Länder, die Erderwärmung bis zum Jahr 2050 auf maximal zwei Grad Celsius zu beschränken und sogar anzustreben, unter 1,5 Grad Celsius zu bleiben – unter anderem durch eine verringerte Nutzung fossiler Brennstoffe. An der Erreichbarkeit des Ziels gibt es aber Zweifel, auch weil Erdöl, Erdgas und Kohle immer noch den weltweiten Energieverbrauch dominieren.

„Wie auch schon der Weltklimarat IPCC in seinen Berichten mehrmals erwähnt hat, muss die Produktion und Nutzung fossiler Treibstoffe stark verringert werden, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken“, erklärt Daniel Welsby vom University College London gegenüber dem ORF. Als Teil eines britischen Forscherteams hat er anhand eines globalen Energiemodells berechnet, wie viel der fossilen Brennstoffreserven unberührt im Boden bleiben müssten, um das Klimaziel eventuell noch erreichen zu können. Die Ergebnisse präsentieren die Forscher im Fachjournal „Nature“.

90 Prozent der Kohle sollte im Boden bleiben

Die britischen Forscher zeigen auf, dass fast 60 Prozent aller weltweiten Öl- und Gasreserven und sogar 90 Prozent aller Kohlereserven bis 2050 ungenutzt im Boden bleiben müssten. Auch dann sei das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels aber nicht garantiert, sondern nur zu 50 Prozent sicher.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 9.9., 13:55 Uhr.

Der tatsächlich erforderliche Rückgang an CO2-Emissionen liege vermutlich noch über der errechneten Förderbegrenzung, wie Welsby erklärt. Je mehr der Abbau und die Nutzung fossiler Brennstoffe verringert werden kann, desto größer sei auch die Wahrscheinlichkeit, das Klimaziel zu erreichen.

Regionale Unterschiede

Nicht jede Region müsse aber gleich viele Reserven unberührt lassen. Die Forscher ließen in ihre Berechnungen unter anderem einfließen, wie groß die Vorkommen im jeweiligen Land sind und wie aufwendig der Abbau ist. In Kanada ist der Anteil an Ölsand groß – die Produktion von Erdöl ist recht schwierig. Im Szenario der britischen Forscher liegt Kanada mit 83 Prozent der Ölreserven, die nicht gefördert werden sollten, daher klar über dem globalen Durchschnitt. Das Öl in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion lasse sich hingegen relativ leicht und kosteneffektiv fördern, dort müssten nur 38 Prozent der Reserven unberührt bleiben. Die Öl- und Gasvorkommen der Arktis dürften gar nicht erschlossen werden. Ein harter Schlag für viele Investoren, die bereits auf diese Reserven spekulieren.

Weltweit müsste die Produktion von Erdöl und -gas im Szenario der Forscher bis zum Jahr 2050 jährlich um drei Prozent verringert werden. Auch hier gibt es aber regionale Unterschiede. So müssten manche Regionen so schnell wie möglich mit der Förderung stoppen, andere, wie etwa die USA, könnten bis 2025 sogar mehr Öl fördern als bisher um den weltweiten Bedarf zu decken. Mit technologischen Fortschritten, die nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, könnte jedoch auch die USA bis 2050 die Förderung von Erdöl und -gas reduzieren.

Politische Maßnahmen erforderlich

Der Abbau und vor allem der Handel mit fossilen Brennstoffen stellt aber immer noch einen wichtigen Wirtschaftszweig vieler Staaten dar. Im Irak, Bahrain, Saudi-Arabien und Kuwait stammen derzeit etwa 65 bis 85 Prozent der gesamten Einnahmen der Regierung daraus. „Wenn dieser Wandel hin zur strengen Begrenzung der Fördermengen tatsächlich stattfindet, müssten viele Staaten schnell auf andere Wirtschaftszweige umschwenken“, erklärt Welsby. Darüber hinaus seien aber auch globale und regionale politische Maßnahmen nötig, wie etwa das Streichen von Subventionen, Produktionssteuern und Verbote für die Erschließung neuer Rohstoffreserven.

Positiv hebt der britische Forscher hervor, dass es bereits einige vielversprechende Initiativen gibt. „England hat zum Beispiel ab 2040 den Verkauf von schweren Diesel- und Benzinmotoren für LKW verboten, Dänemark hat die Öl- und Gasförderung neuer Vorkommen in der Nordsee beendet“, so Welsby. Generell sei die notwendiger werdende Reduktion der CO2-Emissionen in den letzten Jahren immer mehr in die Köpfe von Politikern und Produzenten fossiler Brennstoffe gedrungen, erklärt der britische Forscher.