Junge Frau schneutzt sich in ein Taschentuch
WavebreakmediaMicro – stock.adobe.com
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Ig-Nobelpreise

Schnupfen, Sex und Katzenschnurren

Die Ig-Nobelpreise des Jahres 2021 sind vergeben. Ausgezeichnet wurden letzte Nacht wie üblich skurrile Forschungen – etwa: Hilft Sex gegen Schnupfen? Sind korpulente Politiker korrupter? Und was wollen Katzen sagen, wenn sie schnurren?

Normalerweise findet die Zeremonie im Sanders Theatre der Harvard University statt, pandemiebedingt musste sie heuer – wie schon im letzten Jahr – ins Internet verlegt werden. Marc Abrahams, IgNobel-Mastermind und Herausgeber des „Journal of Irreproducible Results“, führte auch online launig durchs Programm. Unterstützt wurde er von Gewinnern des anderen, echten Nobelpreises, darunter etwa Eric Cornell (Physik 2001) und Frances Arnold (Chemie 2018), die sich gut gelaunt einfügten in einen Themenabend, der „Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken“ bringen sollte.

Nicht-Pharmazeutische Intervention

Praktisch verwertbar – und thematisch irgendwie auch vorhersehbar – war etwa die Erkenntnis, dass Sex gegen verstopfte Nase hilft. Wie der Mediziner Ralph Hohenberger vom Universitätsspital Heidelberg letztes Jahr im „Ear, Nose & Throat Journal“ berichtete, ist die Wirkung des Aktes mit der eines Nasensprays zu vergleichen. Das gilt zumindest für die ersten drei Stunden danach, dann müsste man gegebenenfalls wieder etwas gegen den Schnupfen unternehmen. Für die Jury war das Experiment jedenfalls so überzeugend, dass sie Hohenberger mit dem Ig-Nobelpreis im Fach Medizin auszeichnete. Die Existenz einer „nasogenitalen“ Verbindung hatten übrigens schon Sigmund Freud und sein Kollege Wilhelm Fliess vor mehr als 100 Jahren angenommen.

Pavlo Blavatskyy von der Universität Montpellier sorgte mit einer Studie für Aufsehen, die eine Verbindung zwischen Übergewicht und Korruption herstellt. Laut seinen Untersuchungen in 15 ehemaligen Sowjetrepubliken gibt es eine stabile Korrelation zwischen dem Body-Mass-Index von Ministern und dem Korruptionsindex der Weltbank. Warum das so ist, kann Blavatskyy nicht beantworten, die Auszeichnung im Fach Ökonomie war ihm dennoch gewiss.

Auszeichnung für Katzen und Kaugummis

In der Kategorie Ökologie wurde diesmal ein spanisches Forschungsteam ausgezeichnet, das ausgespuckte Kaugummis unter die Lupe genommen hat, genauer: die darauf siedelnde Bakteriengemeinschaft. Wie Leila Satari von der Universität Valencia letzten Oktober in den „Scientific Reports“ berichtete, überleben Mundbakterien erstaunlich lange in der ungewohnten Umgebung, nach ein Paar Wochen setzen sich dann Mikroben durch, die sich von Kaugummis ernähren, also das Material abbauen können.

Medizinische Aspekte hat die Studie auch, Satari und ihr Team haben in den Proben potenzielle Krankheitserreger wie Streptokokken und Aktinobakterien nachgewiesen. Die von den Kaugummis ausgehende Gefahr dürfte allerdings überschaubar sein, sofern man sie dort belässt, wo sie sind.

Rötliche Hauskatze schaut in die Kamera
AFP/KAREN BLEIER
Die Lunguistin Susanne Schötz entziffert den Katzen-Code

Passend zu einer Veranstaltung im Internet wurde auch „cat content“ geboten. Susanne Schötz von der schwedischen Universität Lund widmet sich in ihren Forschungen dem Schnurren und Maunzen von Hauskatzen. Schötz ist eigentlich Sprachwissenschaftlerin, doch inspiriert von einer Studie über Geparden sattelte sie vor ein paar Jahren auf die Phonologie der Katzensprache um.

In ihrem mit dem Biologiepreis ausgezeichneten Forschungsprojekt „Meowsic“ hat Schötz unter anderem ein Glossar der wichtigsten Katzenlaute erarbeitet, hier lernen Haustierbesitzer: Katzen schnurren nicht nur, wenn sie Zuneigung zeigen, sondern auch, wenn sie gestresst sind oder Angst haben. „Was für eine Ehre, ich bin sprachlos“, sagte Schötz bei der Zeremonie – und verabschiedete sich vom Publikum mit einem „Miau“.

Der Ursprung des Bartes

Weitere Preisträger und Preisträgerinnen im Überblick: In der Physik wurde ein Forscherstreit ausgezeichnet, Anlass dafür waren zwei Studien zur Kinematik von Fußgängern. Die eine zeigt, warum Fußgänger nie miteinander zusammenstoßen, und die andere weist nach, warum sie das doch tun.

Der Friedenspreis ging in diesem Jahr an ein Team aus den USA für die Untersuchung der Hypothese: Der männliche Bartwuchs könnte in der Evolution als Schutz gegen Schläge ins Gesicht entstanden sein. In der Kategorie Insektenforschung setzte sich diesmal ein Beitrag zur Hygiene in U-Booten unter besonderer Berücksichtigung von Kakerlaken durch. Die angebotene Maßnahme, eine Chlorverbindung namens Dichlorvos zu verwenden (das Papier stammt aus dem Jahr 1971) ist allerdings nicht ganz zeitgemäß. Die Verbindung ist auch für den Menschen giftig, wie man nun weiß, und seit 2012 in der EU verboten.

Der Angstschweiß des Publikums im Kino war Gegenstand einer im Fach Chemie ausgezeichneten Untersuchung. Die Jury würdigte den Versuch herauszufinden, ob die Ausdünstung des Publikums Rückschlüsse auf den gezeigten Film zulässt, etwa auf „Gewalt, Sex, Drogen und ordinäre Sprache“. Eine Mini-Oper wurde bei der Zeremonie wie üblich auch geboten. „A Bridge Between People“ zeigte, wie man Brücken zwischen zerstrittenen Menschen baut. Die Uraufführung lief in der Kategorie Ingenieurswesen.