Ein Mädchen bekommt eine Coronavirus-Impfung
AP / Raul Mee
AP / Raul Mee

Impfung für alle Kinder bis Jahresende

Noch im Herbst will Biontech und Pfizer eine Zulassung für ihren Coronavirus-Impfstoff für Kinder ab sechs Monaten beantragen. Er könnte dann ab Jahresende zur Verfügung stehen. Um Eltern von der Impfung zu überzeugen, raten Experten zum Vergleich mit dem Krankheitsrisiko – und nicht zum Argument des „Bevölkerungsschutzes“.

Für Kinder unter zwölf Jahren ist die Coronavirus-Impfung derzeit noch nicht zugelassen. Biontech-Pfizer will die Impfstoff-Zulassung für Kinder ab fünf Jahren bereits im September bei der Europäischen Gesundheitsbehörde beantragen, bestätigte die medizinische Leiterin von Pfizer Österreich Sylvia Nanz im Ö1 Mittagsjournal. Für die Zwei- bis Fünfjährigen sowie für die Altersgruppe sechs Monate bis zwei Jahre soll die Einreichung der Zulassung im Anschluss erfolgen, jedenfalls noch diesen Herbst.

Mit der offiziellen Zulassung der Impfung für Kinder ab fünf Jahren rechnet man bei Biontech-Pfizer ab Oktober, für ganz Kleine könnte die Coronavirus-Impfung ebenfalls noch in diesem Jahr verfügbar sein.

4.500 Kinder in der Studie

4.500 Kinder werden in der Studie mit dem Impfstoff von Biontech-Pfizer beobachtet, bei den Fünf- bis Elfjährigen befindet sich die Untersuchung bereits in der Phase drei, in der man über die Effektivität einer Impfung Entscheidungen treffen kann, sagte Sylvia Nanz.

Die vergleichsweise geringe Anzahl von Kindern in der Studie sei kein Nachteil, meinte der Pharmakologe Markus Zeitlinger ebenfalls im Ö1 Mittagsjournal. Sie baue auf eine bereits bestehende „Sicherheitsdatenbank mit Millionen Erwachsenen und Jugendlichen auf, die nun stufenweise nach unten ergänzt wird“.

Kinder erhalten ein Drittel der Dosis

In der Studie geprüft werden im Wesentlichen zwei Faktoren: die Verträglichkeit der Impfung und die Reaktion des Immunsystems, wie viele Antikörper also gebildet werden. Hier erwarte man eine ähnliche Schutzwirkung wie jene bei Erwachsenen, die bei 95 Prozent liegt, sagte Sylvia Nanz.

Kinder erhalten allerdings eine deutlich geringere Dosierung als Erwachsene, nämlich ein Drittel. Die Unter-Fünfjährigen bekommen ein Zehntel der Erwachsenendosis. Auch Kinder erhalten eine Auffrischung nach drei Wochen.

Durch die niedrigere Dosierung versuche man das Risiko von Nebenwirkungen abzuschwächen, da das Immunsystem von Kindern in der Regel stärker reagiert als das von Erwachsenen.

„Off-Label-Use“ individuelle Entscheidung

Einzelne Ärzte in Österreich impfen bereits jetzt sogenannte Risikokinder, also etwa Kinder mit chronischen Erkrankungen „off label“ – also ohne, dass die Zulassung vorliegt. Bei Biontech-Pfizer will man dazu naturgemäß keine Empfehlung abgeben, das sei eine Entscheidung der Medizin gemeinsam mit den Betroffenen.

Die Impfung sei prinzipiell allen Kindern zu empfehlen, nicht nur Angehörigen von Risikogruppen, meinte der Pharmakologe Markus Zeitlinger. Dafür würden schon die aktuellen Infektionszahlen sprechen. „Mittlerweile sind die Fünf- bis 14-Jährigen neben den 15- bis 24-Jährigen mit Sieben-Tages-Inzidenzen von 300 die Hauptgruppe. Und hier ist der Schulstart noch gar nicht eingepreist.“

“Bevölkerungsschutz-Argument zieht nicht“

Sobald der Impfstoff von der EMA zugelassen sei und „wir die Daten gesehen haben, bisher hat das ja nur Biontech-Pfizer“, rate er zur Impfung aller Kinder. Den Bedenken vieler Eltern solle man begegnen – allerdings nicht durch den Verweis auf den Schutz der Bevölkerung, der sich durch eine Kinderimpfung ergebe. „Das Argument zieht bei Eltern nicht“, sagt Zeitlinger. „Ich bin selbst Vater, das eigene Kind ist so wichtig, da lässt man so etwas nicht gelten.“

Stattdessen solle man mit einer Gegenüberstellung des Krankheitsrisikos argumentieren: „Es gibt keine einzige Nebenwirkung, die bei einer Infektion nicht viel schlimmer ist als bei einer Impfung – auch nicht bei der Myocarditis, der Entzündung der Herzmuskelzellen. Und es ist nun mal so, dass sich jedes Kind entweder impfen lässt oder irgendwann infizieren wird.“

Unterschiede weltweit

Ende Mai hatte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) entschieden, dass der Impfstoff von Biontech und Pfizer Kindern ab zwölf Jahren verabreicht werden darf. Seit damals haben die europäischen Länder unterschiedlich reagiert.

In Österreich wird die Impfung in der Altersgruppe der Zwölf- bis 15-Jährigen gemäß der Priorisierungsliste des Nationalen Impfgremiums empfohlen. Stand 14.9. gelten etwas über vier Prozent von ihnen als vollimmunisiert, haben also zwei Impfdosen erhalten.

In Deutschland können sich 12- bis 15-Jährige seit Juni impfen lassen und erhalten zwei Dosen im Abstand von einigen Wochen. In Dänemark ist laut BBC-Angaben bereits ein Großteil der Zwölf- bis 15-Jährigen, in Spanien der Zwölf- bis 19-Jährigen zumindest erstgeimpft. In Frankreich sei das bei zwei Drittel der Zwölf- bis 17-Jährigen der Fall, über die Hälfte sei bereits vollimmunisiert. Im Oktober soll in dem Land der Gesundheitspass auf die Unter-18-Jährigen ausgeweitet werden, d.h. auch Teenager müssen einen negativen Coronavirus-Test oder eine Impfung nachweisen, um Kinos, Lokale etc. betreten zu dürfen.

In Schweden werden Zwölf- bis 15-Jährige nur geimpft, wenn sie einer Risikogruppe angehören – also etwa schweres Asthma haben. In Norwegen können in der gleichen Altersgruppe bereits alle Kinder geimpft werden, vorerst aber nur einfach, über eine zweite Dosis soll später entschieden werden.

In den USA waren laut BBC Ende Juli 42 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen erstgeimpft, ein Drittel mittels Biontech/Pfizer bzw. Moderna-Impfung vollimmunisiert. China erlaubt den Einsatz seines Impfstoffs Sinovac seit Juni in bestimmten Fällen auch bei Drei- bis 17-Jährigen.