Eine ältere Frau wird in einem Pflegeheim geimpft
APA/KEYSTONE/URS FLUEELER
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Booster wirkt stark – bleibt aber umstritten

Eine neue Studie aus Israel zeigt, wie gut Booster-Impfungen gegen Covid-19 wirken. Über 60-Jährige infizierten sich nach einem „dritten Stich“ elfmal seltener als bloß zweifach Geimpfte, schwere Erkrankungen traten sogar fast 20-mal seltener auf. Ob Booster-Impfungen generell sinnvoll sind, bleibt aber umstritten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa ist angesichts der noch immer sehr niedrigen Impfraten in vielen Entwicklungsländern dagegen: „Wir wollen keine Auffrischungsdosen für gesunde Menschen, die vollständig geimpft sind“, sagte vor Kurzem WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Er appellierte an alle Staaten, bis Jahresende auf Drittimpfungen zu verzichten – angesichts der vielen Millionen Menschen weltweit, die noch gar nicht geimpft sind.

Auffrischungsimpfung in Israel seit 30. Juli

Zur aktuellen Studie: "In Israel hat der frühe Beginn der landesweiten Impfkampagne mit der vollen Immunisierung von mehr als der Hälfte der Bevölkerung bis Ende März 2020 zu einem Rückgang der Covid-19-Erkrankungen von 900 Fällen pro Million Einwohner und Tag Mitte Jänner 2021 auf weniger als zwei Fälle pro Million Menschen pro Tag im Juni 2021 geführt“, schrieb ein Team um Yinon Bar-On vom Weizmann Institut in Rehovot im „New England Journal of Medicine“.

Die neu auftauchenden Virusvarianten machten schließlich auch in Israel Probleme. Ende August gab es wieder mehr als 10.000 bestätigte Neuinfektionen pro Tag. Allerdings war in dem Land bereits mit 30. Juli die Verabreichung einer dritten Dosis des BioNTech/Pfizer-mRNA-Impfstoffes für Personen über 60 Jahre und zuvor erfolgter vollständiger Impfung als Booster zugelassen worden. Man begann mit der "Auffrischung“.

Wirkung setzt schnell ein

Das Team um Yinon Bar-On verglich nun Daten von über einer Million Menschen im Alter über 60 Jahren, die mindestens fünf Monate zuvor zweifacht geimpft waren: In der Gruppe der Personen ohne Booster-Impfung gab es im August 4.439 SARS-CoV-2-Infektionen, in der (in absoluten Zahlen größeren) Booster-Gruppe nur 934 Infektionen. Ähnlich war es im Vergleich bei den schweren Covid-19-Erkrankungen: 294 Fälle in der Nicht-Booster-Gruppe und 29 Fälle in der Gruppe der Personen mit Booster-Impfung.

Fazit der Forscherinnen und Forscher: "Ab zwölf Tagen nach der Booster-Dosis war die Häufigkeit von (PCR-)bestätigten Infektionen in der Booster-Gruppe um den Faktor 11,3 geringer als in der Nicht-Booster-Gruppe. Die Rate schwerer Erkrankungen war um den Faktor 19,5 geringer.“

Der Effekt des "dritten Stichs“ setzt laut der Studie offenbar sehr schnell ein. Vom Zeitraum von vier bis sechs Tagen nach der dritten Impfung erhöhte sich die Schutzrate bis zum Tag zwölf zumindest um das 5,4-Fache. Eine Wirkung gab es also schon wenige Tage nach der "Auffrischung“. Sowohl die extrem gute Schutzwirkung der Erstimpfung mit zwei Dosen als auch der Effekt der dritten Dosis sind damit dokumentiert.

Besser die Ungeimpften impfen

Wie sinnvoll eine Booster-Impfung ist, ist aber nicht nur eine Frage des Wirkungsgrads – vor allem nicht, solange man nicht weiß, wie lange die Wirkung anhält. Die Immunantwort durch den Booster könnte auch bald wieder abnehmen, vermutete die Immunologin Marion Pepper vor Kurzem in der „New York Times“. „Ist ein solches drei- bis viermonatiges Fenster das, was wir erreichen wollen?“

Die Meinungen dazu gehen auseinander. Während sich die US-Regierung unter Präsident Biden und seinem Top-Virologen Anthony Fauci für eine generelle Auffrischungsimpfung ausspricht, widersprach diese Woche eine Gruppe Forscher und Forscherinnen im Fachjournal „The Lancet“. Vorrangig geimpft sollten jene werden, die noch überhaupt keine Impfung erhalten haben – in den USA, aber auch rund um den Globus. Dies liege auch im Eigeninteresse der reichen Länder. Denn um zu verhindern, dass das Virus zu noch gefährlicheren Formen als die Delta-Variante mutiert, gelte es die bisher Ungeimpften zu impfen.

Das sieht auch die WHO so, die die reichen Länder dazu aufgerufen hat, bis Jahresende auf Booster-Impfungen zu verzichten. Stattdessen sollte bis dahin eine weltweite Impfquote von 40 Prozent erreicht werden. Gefruchtet hat der Aufruf bisher nicht – zahlreiche Industrieländer, darunter auch Österreich, haben mit den Auffrischungsimpfungen bereits begonnen.