Statistik mit Grafik unter der Lupe
tadamichi – stock.adobe.com
tadamichi – stock.adobe.com

Ab wann die Ansteckungswelle gebrochen wird

60 Prozent sind in Österreich aktuell vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Erst bei 70 Prozent würde sich die Ansteckungsrate verringern, sagt der Komplexitätsforscher Peter Klimek. Ebenfalls maßgeblich für ein Brechen der Welle: die Anzahl der Genesenen und der Faktor Jahreszeit.

Malta, Island und Dänemark sind jene Länder in Europa, in denen der größte Teil der Bevölkerung vollständig gegen Corona geimpft ist – hier liegen die Impfquoten bei 80 bis sogar 90 Prozent. Und: Die Ansteckungsrate ist niedrig – sie liegt bei weniger als 60 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Österreich liegt sie bei über 160 Fällen pro 100.000 Einwohner, bei einer Impfquote von sechzig Prozent. Doch ab wann wird das Tempo der Ausbreitung des Virus verlangsamt?

Das könne man derzeit gut im internationalen Umfeld beobachten, sagt der Komplexitätsforscher Peter Klimek von der MedUni Wien. Vergleiche man etwa einzelne Bundesstaaten in den USA, so sehe man klar: In den Staaten, die mehr als siebzig Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft haben oder darüber hinaus, gebe es nahezu keine Ansteckungsdynamik mehr. Und umgekehrt: Die Staaten mit einer schnellen Zunahme der Infektionen seien jene, die eine niedrigere Impfrate haben.

In Europa stelle sich die Lage ähnlich dar: Länder mit einer Impfquote von mehr als siebzig Prozent – haben auch weniger Infektionen – das sehe man etwa in Portugal, Dänemark oder in Belgien. Eine steigende Dynamik sehe man hingegen eher in Ländern mit einer Impfrate, die mit jener in Österreich vergleichbar sei, sagt Klimek. Ist eine Impfquote von mindestens siebzig Prozent also der Punkt, an dem die Ausbreitungsgeschwindigkeit gebrochen wird?

Auch Genesene und Jahreszeit einrechnen

Ganz so einfach ist es nicht, denn es gibt noch weitere Faktoren, die eine Rolle spielen. Man dürfe sich das nicht so vorstellen, dass es einen scharf definierten Wert gibt, ab dem sich das Virus sozusagen „schlafen legt“, so der Komplexitätsforscher. Es scheint zwar so zu sein, dass in vielen Ländern eine Impfrate von mindestens siebzig Prozent die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus verlangsamt – oder jedenfalls ausreicht, um keine neue exponentielle Welle entstehen zu lassen. Maßgeblich sei aber auch, wie viele von Corona Genesene es bereits gebe – und der Faktor Jahreszeit.

In Europa habe der Unterschied zwischen Sommer und Winter bis zu vierzig Prozent betragen – bezogen auf die Wahrscheinlichkeit, dass man sich mit Corona ansteckt, sagt Klimek. Der Hintergrund seien physikalische Eigenschaften, wie sich die Aerosole verhalten ebenso wie soziale Einflüsse – also, dass man sich in der kalten Jahreszeit eher drinnen trifft.

Man dürfe jetzt aber nicht in Fatalismus verfallen und sagen: Wenn das saisonal ist, dann können wir sowieso nichts tun, so Peter Klimek gegenüber science.ORF.at. Ganz im Gegenteil: Es zeige sich ganz klar, dass es einen starken jahreszeitlichen Effekt gibt, aber man habe es in der Hand, diesen Effekt zu kontrollieren und zu managen. Und wenn das nicht mit der Impfrate gelingt, dann bleibe eben nur noch übrig, das über weitere Schutzmaßnahmen zu tun.