Übergewichtige Frau dehnt vor Laufen im Gegenlicht
gpointstudio/stock.adobe.com
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Übergewicht

Bewegung ist wichtiger als Abnehmen

Viele Übergewichtige versuchen wiederholt abzunehmen, häufig ohne Erfolg. Zumindest wenn es um die gesundheitlichen Folgen geht, könnte das ohnehin der falsche Ansatz sein, so eine aktuelle Metastudie: Wer sich regelmäßig bewegt und auf seine körperliche Fitness achtet, kann sein Krankheitsrisiko senken, auch wenn keine Kilos purzeln.

Fast ein Drittel aller Menschen ist heute übergewichtig oder fettleibig. Seit 1980 hat sich der Anteil in 70 Ländern verdoppelt. Im selben Zeitraum hat sich ein echte Diätindustrie entwickelt: Egal ob Low-Carb, Low-Fat oder Metabolic Balancing, das Ziel bleibt immer das gleiche: Überflüssige Kilos verlieren. Laut Studien hat in vielen Ländern annähernd die Hälfte der Bevölkerung bereits einmal versucht abzunehmen, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Glenn Gaesser von der Arizona State University nun im Fachjournal „iScience“, unter Frauen sei der Anteil in der Regel noch höher. Dabei gehe es den Menschen einerseits um das Äußere – Schlanksein wird vielfach mit Schönheit gleichgesetzt. Aber auch die möglichen gesundheitlichen Folgen machen Betroffenen Angst. Denn Übergewicht erhöht das Risiko für zahlreiche Krankheiten, etwa für Diabetes-Typ 2 und Herz-Kreislauferkrankungen.

Aber trotz aller Abnehmversuche wurden die Menschen weltweit immer dicker. Laut Gaesser und Co. habe der Diättrend die Gewichtszunahme womöglich weiter befördert. Unter anderem durch den sogenannte Jo-Jo-Effekt: Selbst wenn es gelingt, ein paar Kilos zu verlieren, ist dieses Ergebnis oft nicht von Dauer. Nach einer Diät arbeitet der Stoffwechsel auf Sparflamme. Wenn man danach jedoch isst wie zuvor, bringt man am Ende sogar noch mehr Gewicht auf die Waage. Dieses Auf-und-Ab sei aber besonders schlecht für die Gesundheit, so Gaesser und sein Koautor Siddhartha Angadi von der University of Virginia, vielleicht sogar noch schlimmer als Übergewicht an sich. Auch die Diskriminierung, unter der dicke Menschen heute leiden, mache nicht unbedingt gesünder.

“Dick, aber fit“

Der Fokus aufs Abnehmen ist also anscheinend gar nicht so hilfreich, wenn es um die Gesundheit geht. Gaesser und Angadi schlagen einen anderen Ansatz vor. Menschen mit zu hohem Body-Mass-Index (BMI) sollten sich einfach mehr bewegen und ihre körperliche Fitness steigern, mit dem Ziel am Ende „fat but fit“ (übersetzt: „dick, aber fit“) zu sein. „Fitte und gesunde Körper gibt es in allen Formen und Größen“, so Gaesser in einer Aussendung. In ihrem soeben veröffentlichten Meta-Review haben sie nun zahlreiche Studien zum Thema durchforstet, auf der Suche nach Belegen für die Wirksamkeit ihres Ansatzes.

Tatsächlich legen zahlreiche Arbeiten nahe, dass viele Gesundheitsprobleme, die typischerweise auf Übergewicht zurückgeführt werden, mit Bewegungsarmut und mangelnder Fitness zusammenhängen. Außerdem stützen einige epidemiologische Studien die Vermutung, dass mehr körperliche Aktivitäten und Fitness das übergewichtsbedingte höhere Sterberisiko abschwächen oder sogar eliminieren können. Dieser Zusammenhang mit Bewegung sei stärker als bei Gewichtsabnahme, schreiben Gaesser und Angadi.

Anderer Fokus

Die Wirksamkeit von mehr Bewegung – und zwar jede Form von Spazierengehen bis zu Kraftsport – lasse sich auch an diversen Biomarkern ablesen. Studien zeigen, dass etwa Blutdruck, Blutzucker und Blutfette sinken. Eine mögliche Erklärung für die positiven Effekte: Besonders das gesundheitsschädliche Fett im Bauchraum wird durch Bewegung weniger und das Gewebe ändert seinen Stoffwechsel, auch wenn das Gewicht gleich hoch bleibt.

All diese Ergebnisse legen nahe, dass es ihn wirklich gibt, den „gesunden Dicken“. Natürlich wolle man Menschen nicht davon abraten abzunehmen, schreiben die Studienautoren, aber es wäre sinnvoller, den Fokus vor allem auf Bewegung, Fitness und Gesundheit zu legen, und nicht auf unrealistische Ziele, die zwangsläufig in Enttäuschungen enden.