Fußabdruck in einer Winterlandschaft, die Sonne scheint
APA/AFP/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
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Anthropologie

Homo sapiens war winterfest

Im Winter viel Schneefall und monatelang unter null Grad, im Sommer kaum über 20: Das Klima war vor rund 45.000 Jahren in Südosteuropa nicht gerade menschenfreundlich. Dennoch siedelten sich hier frühe moderne Menschen an – laut einer neuen Studie war Homo sapiens winterfester als bisher gedacht.

Der bisher älteste Beleg für den Homo sapiens ist ein Knochenfund in Marokko, der auf ein Alter von rund 300.000 Jahren geschätzt wird. Lange Zeit später, vor etwa 45.000 Jahren, verbreiteten sich Homo sapiens-Gruppen auch in Eurasien. Was die damaligen Vertreter der modernen Menschen dazu bewogen hat, ist in der Wissenschaft ein viel diskutiertes Thema – einige Erklärungsmodelle beschreiben jedoch, dass die Gruppen wahrscheinlich auf warme Klimaperioden angewiesen waren, um in nördlichere Gegenden vorzudringen.

Das scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, wie die Archäologin und Geochemikerin Sarah Pederzani vom Max-Planck-Institut in Leipzig erklärt. Zusammen mit einem internationalen Team führte sie Untersuchungen in der Batscho-Kiro Höhle in Bulgarien durch, wo einige der ältesten Überreste von Homo sapiens in Europa gefunden wurden. Die Ergebnisse der Forscherinnen und Forscher wurden im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht.

Die Forscherinnen und Forscher in der Batscho-Kiro Höhle
MPI-EVA/ Tsenka Tsanova
Forscherinnen und Forscher in der Batscho-Kiro Höhle

Tierzähne lassen auf damaliges Klima schließen

„Wir haben die Höhle in Bulgarien ausgewählt, weil dort unter anderem zehntausende Knochen und Überreste von Tieren aus der Zeit, in der sie von Homo sapiens bewohnt wurde, gefunden werden konnten“, erklärt Pederzani gegenüber dem ORF. Die Tiere – vor allem Pferde und Bisons – seien damals wahrscheinlich als Nahrung geschlachtet worden.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 23.9., 13:55 Uhr.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten den Sauerstoff- und Strontiumgehalt in den Knochen und Zähnen der Tiere mittels Isotopenanalyse. „Die Sauerstoffisotope im Wasser etwa variieren je nach der herrschenden Temperatur. Tiere nehmen das Wasser dann auf, und die Sauerstoffisotope werden in Knochen und Zähnen abgelagert“, erläutert die Archäologin. Mit der Analyse der Isotope könne so die zu Lebzeiten des Tieres herrschende Temperatur berechnet werden.

Kälter als gedacht

Das Forscherteam konnte Hinweise darauf finden, dass sich die frühen modernen Menschen wohl auch in kälteren Klimaperioden in neuen Umgebungen ansiedelten – etwa zu Zeiten, in denen die Temperaturen in der Batscho-Kiro Höhle rund zehn bis 15 Grad Celsius niedriger waren als heute. „Diese Menschen fanden in Bulgarien also ähnliche Temperaturen vor, wie heutzutage zum Beispiel im Norden Skandinaviens“, so Pederzani. „Unsere Untersuchungen haben also gezeigt, dass diese Menschengruppen sehr flexibel waren, was ihre Umgebungen betrifft und dass sie sich besser an verschiedene klimatische Verhältnisse anpassen konnten, als bisher vermutet wurde.“

Pferdezähne wie diese wurden für die Isotopenanalyse verwendet
MPI-EVA/ Sarah Pederzani
Pferdezähne wie diese wurden für die Isotopenanalyse verwendet

Ungefähr ein Jahr dauerte die Analyse der Isotope. Insgesamt 179 Proben wurden untersucht. „Dadurch war es möglich, die früheren Temperaturen relativ genau zu berechnen und Schätzungen über das Klima für eine Zeitspanne von rund 7.000 Jahren anzustellen“, so Pederzani.

Laut der Archäologin und Geochemikerin sind die neuen Erkenntnisse eine gute Grundlage für weitere Untersuchungen über Homo sapiens in Europa. So sei derzeit etwa noch nicht geklärt, wie sich die Menschen damals vor den niedrigen Temperaturen effektiv schützen konnten. Außerdem könnten auf Basis der Forschungsergebnisse in Zukunft genauere Untersuchungen darüber angestellt werden, wie sich Homo sapiens in Europa im Laufe der Zeit ausbreiteten. „Ich glaube einfach, dass es für uns wichtig ist zu verstehen, warum wir irgendwann die letzte menschliche Spezies auf dem Planeten waren und wie wir uns so erfolgreich ausbreiten konnten“, so Pederzani.