Ein Haufen Vampirfledermäuse in einem Baum
Simon Ripperger
Simon Ripperger
Verhaltensforschung

Vampirfledermäuse saugen Blut am liebsten mit Freunden

Soziale Kontakte und Freundschaften spielen im Tierreich eine große Rolle – auch bei Vampirfledermäusen. Wie eine neue Studie zeigt, machen sich die Blutsauger am liebsten mit befreundeten Artgenossen auf die Suche nach Beutetieren.

Bei den Vampirfledermäusen ist der Name Programm – sie sind die einzigen Säugetiere, die sich vom Blut andere Säugetiere oder Vögel ernähren. Seit längerem bekannt ist, dass diese Fledermäuse enge soziale Kontakte an ihren Schlafplätzen pflegen. „Die Tiere, die auf ihren Beutezügen längere Zeit kein Blut finden, werden zum Beispiel von befreundeten Artgenossen durch das Hochwürgen von Blut gefüttert“, erklärt der Biologe Simon Ripperger vom Naturkundemuseum Berlin. Zusammen mit Gerald Carter von der Ohio State University wollte der Biologe herausfinden, ob die Beziehungen der Fledermäuse auch außerhalb des Schlafplatzes eine Rolle spielen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Plos Biology“ veröffentlicht.

Fledermäuse mit Rucksack-Sensoren ausgestattet

Dazu wählten die Forscherinnen und Forscher 50 Exemplare von in Panama lebenden sogenannten Gemeinen Vampiren aus – 27 davon lebten in freier Wildbahn, die anderen 23 waren rund zwei Jahre in Gefangenschaft. Die Tiere bekamen Sensoren auf ihre Rücken geklebt, mit denen die Entfernung zwischen den einzelnen Fledermäusen aufgezeichnet werden konnte.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 24.9., 13:55 Uhr.

„Dabei sieht es so aus, als ob die Fledermäuse Rucksäcke tragen würden, die Sensoren fallen aber nach einer bestimmten Zeit automatisch ab und wirken sich nicht negativ auf die Tiere aus“, erklärt Ripperger gegenüber dem ORF. Nachdem die Fledermäuse mit den Sensoren ausgestattet waren, wurden sie von den Forschern freigelassen und konnten zu ihrem Schlafplatz auf einer Rinderfarm in Panama zurückkehren.

Beutezüge mit Freunden

Mithilfe der Sensoren wurde das Verhalten der Fledermäuse analysiert. „Zuvor haben wir genau beobachtet, mit welchen Artgenossen die Fledermäuse am Schlafplatz soziale Kontakte pflegen und zum Beispiel ihr Futter teilen“, so Ripperger. Daraufhin konnten die Forscher feststellen, dass die Tiere einzeln von ihren Schlafplätzen aufbrachen, um sich auf die Suche nach Blut zu machen.

Während der Nahrungssuche trafen sich einige der Tiere, die auch am Schlafplatz miteinander zu tun hatten, aber wieder. Fledermäuse mit mehr sozialen Kontakten am Schlafplatz trafen auf der Nahrungssuche auch generell mehrere Artgenossen. Ripperger: „Dieses Verhalten wirft natürlich einige neue Fragen auf, zum Beispiel, warum die Tiere einzeln ausfliegen und wie sie es schaffen, sich auf ihren nächtlichen Beutezügen wieder zu finden.“

Drei Arten sozialer Signale

Eine mögliche Erklärung dafür ist laut dem Biologen, dass die Fledermäuse mit ihren Rufen starke soziale Signale an Artgenossen senden. Die Forscherinnen und Forscher nahmen die Tiere in Panama daher auf und konnten zwischen drei verschiedenen Arten von Rufen unterscheiden. „Erstens gaben die Vampirfledermäuse Laute von sich, die nur in aggressivem Kontext geäußert wurden. Zweitens gab es Kontaktrufe der Fledermäuse, mit denen die Tiere wahrscheinlich ihre Kooperationspartner finden können“, erklärt Ripperger.

Die dritte Variante der Fledermausrufe ist laut dem Biologen besonders interessant. „Wir konnten auch einen neuartigen Ruftyp aufnehmen, der bisher noch nie bei Fledermauspopulationen untersucht wurde und der ausschließlich bei der Jagd vorkommt. Wir müssen aber erst noch herausfinden, wozu es diese Rufe gibt.“

Geringere Gefahr vor Fressfeinden

Über die genauen Gründe, warum die Vampirfledermäuse am liebsten mit Freunden auf Nahrungssuche gehen, könne derzeit nur spekuliert werden. Weitere Untersuchungen auf dem Gebiet seien nötig. Die Forscher haben jedoch Vermutungen: „Wenn die Vampirfledermäuse ausfliegen, brauchen sie bis zu 40 Minuten, um ein geeignetes Beutetier auszuwählen und dort eine Wunde zu öffnen, um Blut trinken zu können“, erläutert Ripperger.

In dieser Zeit seien die Tiere auch leichte Opfer für etwaige Fressfeinde. Der wahrscheinliche Nutzen eines Kooperationspartners liegt laut dem Biologen daher auf der Hand: „Wenn eine Fledermaus zu einem befreundeten Artgenossen kommt, der bereits eine Wunde geöffnet hat, dann erspart sich das Tier die lange Vorbereitungszeit und damit verringert sich auch das Risiko, selbst gefressen zu werden."