Derzeit gibt es in Österreich so viele von Menschen gehaltene Honigbienenvölker wie schon seit den 1990er-Jahren nichtmehr, meint der Biologe Robert Brodschneider von der Universität Graz. Gegenüber dem ORF erklärt er: „Wir gehen davon aus, dass wir über 400.000 Bienenvölker haben, die von ungefähr 30.000 Imkerinnen und Imkern gehalten werden.“ Der Anstieg sei unter anderem auf ein gestiegenes Interesse an der Imkerei zurückzuführen.
Virus bedroht Bienenbestand
Die Zahlen aus Österreich sind erfreulich, die Bienenvölker haben es aber alles andere als leicht. Neben der Belastung durch Pestizide aus der Landwirtschaft gilt der Befall der Tiere mit der blutsaugenden Varroamilbe und dem von ihr übertragenen Flügeldeformationsvirus (Deformed Wing Virus, DWV) als eine der größten Bedrohungen für Bienenvölker auf der ganzen Welt. „Das Virus gibt es in zwei Varianten und eine davon kommt in so gut wie jedem Bienenvolk in Österreich vor“, so Brodschneider.

Wie der Name verrät, kann durch das Virus die Entwicklung der Flügel beeinträchtigt werden. Betroffene Bienen können demnach kaum fliegen, geschweige denn Nahrung sammeln. Auch das Gedächtnis der Tiere scheint betroffen zu sein. Wie Studien zeigen, finden etwa infizierte Bienen auf Nahrungssuche oft nicht zurück zu ihrem Volk. Besonders schwer infizierte Tiere sterben nach wenigen Tagen.
Natriumsalz könnte helfen
Einen Ansatz zum Schutz der Bienen vor den Auswirkungen des Flügeldeformationsvirus liefern nun internationale Forscherinnen und Forscher. Sie untersuchten die Wirkung von Natriumbutyrat auf die Bienen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „iScience“ veröffentlicht.
„Bei Natriumbutyrat handelt es sich um eine chemische Verbindung, die jeder von uns, wenn man zum Beispiel Butter isst, im Darm durch die Fettspaltung entwickelt“, erklärt der Biologe und Chemiker Wolfgang Schühly von der Universität Graz. Das Natriumsalz der Buttersäure kommt in der Natur vor und kann relativ billig produziert werden.
Große Wirkung
Die Forscherinnen und Forscher führten mehrere Experimente durch, in denen sie dem Futter von einigen Bienen Natriumbutyrat beimischten. Anschließend infizierten sie die Tiere mit dem Flügeldeformationsvirus. Das Ergebnis: Fünf Tage nach der Infektion mit dem Virus starben 90 Prozent aller Bienen, die kein Natriumbutyrat bekommen hatten. Mit dem Natriumsalz überlebten über 90 Prozent denselben Zeitraum.
Auch das Problem, dass infizierte Honigbienen die Orientierung verlieren und oft nicht zurück zu ihrem Volk finden, wurde von dem internationalen Forscherteam untersucht. Sie analysierten mehrere Bienenstöcke und zeichneten rund einen Monat lang auf, wie viele Bienen aus den Stöcken ausflogen und wie viele tatsächlich zurückkamen. Auch hier zeigte das Beimischen von Natriumbutyrat im Futter große Wirkung. Nur etwa die Hälfte der infizierten Bienen ohne eine Behandlung mit dem Natriumsalz kehrte von ihren Flügen zurück. Bei den Tieren, die Natriumbutyrat erhalten hatten, waren es über 80 Prozent – ein ähnlicher Wert wie bei Bienen, die nicht mit dem Virus infiziert waren.
Weitere Untersuchungen nötig
Die Vorteile des Einsatzes von Natriumbutyrat in der Bienenzucht liegen laut dem internationalen Forscherteam aufgrund der geringen Kosten in der Herstellung auf der Hand. Auch Schühly sieht darin Potential: „Die Aufhebung der Symptome des Flügeldeformationsvirus durch die Zugabe eines relativ kleinen, unspektakulären Moleküls, ist natürlich interessant. Die Effekte von Natriumbutyrat kennt man bereits länger, bei Bienen war mir der Einsatz bisher aber noch nicht bekannt.“

Der österreichische Bienenexperte lobt die Forschung des internationalen Teams: „Es ist hier auf sehr breiter Front und sauber gearbeitet worden.“ Bis zu einer Anwendung in der Praxis könne es jedoch noch dauern. Schühly: „Es ist jetzt erstmal ein sehr interessanter Befund, ob der Einsatz in der Praxis dann so einfach geht, ist derzeit noch schwer zu sagen.“ Weitere Untersuchungen seien nötig, zum Beispiel um herauszufinden, wie sich das Beimischen von Natriumbutyrat zur Nahrung der Bienen langfristig auf die Tiere auswirkt.
Natürlicher Schutz zu bevorzugen
Der Einsatz des Natriumsalzes könnte den Bienen in Zukunft helfen, Schühly gibt jedoch zu bedenken: „Es soll natürlich nicht darauf hinauslaufen, dass wir mit der Biene ein weiteres ‚permanent therapiebedürftiges Haustier‘ heranzüchten, wie etwa bei den Schweinen, die ohne Antibiotika nicht mehr auskommen. Die Biene sollte eigentlich ein möglichst naturbelassenes Tier bleiben.“
Der anstehende Winter sei für die Bienen wie jedes Jahr eine Herausforderung. Brodschneider: „Die Zahl der Winterverluste schwankt von Jahr zu Jahr.“ Derzeit könne man noch nicht abschätzen, wie die Bienen über die nächsten Monate kommen. Die Verluste seien unter anderem wetterabhängig, dennoch könne man die Tiere das ganze Jahr über für die Wintermonate stärken. „Um die Biene flächendeckend zu schützen, müssen wir ihr das ganze Jahr über gute, diverse Nahrung zur Verfügung stellen. Das heißt blühende Landschaften, nicht nur zur Hochsaison, wenn zum Beispiel Massenkulturen in der Landwirtschaft blühen – sondern abseits davon. Und das natürlich möglichst unbelastet von Pestiziden“, erklärt der Bienenexperte.