Nobelpreis-Medaille
APA/dpa
APA/dpa
Nobelpreise

Warum es Österreicher schwer haben

Ein Nobelpreis hebt das Ansehen von Forschenden, Institutionen und Ländern. Mit den Mechanismen hinter den wichtigsten Wissenschaftspreisen setzen sich Historiker in dem neuen Buch „Laureaten und Verlierer“ auseinander. Darin wird unter anderem erklärt, warum Freud leer ausging und Österreich schon lange auf einen wissenschaftlichen Nobelpreis wartet.

Wenn am Montag (4. Oktober) die Nobelpreiswoche mit der Zuerkennung der Medizin-Auszeichnung eingeläutet wird, geht wieder vielerorts der Puls hinauf. Was einen Laureaten von einem leer ausgegangenen, aber mitunter vielfach nominierten Forscher unterscheidet, beleuchten Historiker in dem neuen Buch. Den Wissenschaftlern geht es auch darum, am Beispiel Österreichs, der Schweiz und Deutschlands, herauszufinden „wie wichtig Preise für die wissenschaftliche Forschung überhaupt sind“, erklärte die an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätige Herausgeberin _Daniela Angetter-Pfeiffer(www.oeaw.ac.at im Gespräch mit der APA. Trotz einer Art „Preisinflation“ im Forschungsbereich in den vergangenen Jahrzehnten, die auch durchaus sehr hoch dotierte und renommierte Auszeichnungen wie den Breakthrough-Preis hervorgebracht hat, stehe der Nobelpreis immer noch ganz oben in der Hierarche: „Wer den Nobelpreis bekommt, steht einfach eine Stufe über den anderen.“

Buch und Veranstaltung

„Laureaten und Verlierer. Der Nobelpreis und die Hochschulmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz“, Nils Hansson, Daniela Angetter-Pfeiffer (Hg.), Vienna University Press, 220 Seiten, 32,99 Euro; Buchpräsentation am 5. Oktober, 14.30 Uhr, Schwedenhaus / Schwedische Botschaft, Liechtensteinstraße 51, 1090 Wien

Angetter-Pfeiffer hat sich vor allem der Lobbyarbeit angenähert, die hinter der Zuerkennung der begehrtesten Auszeichnungen steckt. Die Analyse zeigt, dass es mitunter großen Aufwand bedarf, um zu der Ehre zu gelangen. So wurde die österreichische Friedens-Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner im Jahr 1905 erst nach 101 Nominierungen bedacht. „Auch diejenigen, die das Vorschlagsrecht haben, müssen also sehr hartnäckig sein, immer wieder einreichen und begründen“, so die Historikerin.

33 Nominierungen für Freud

Letztlich zeige sich, dass wer ein besonders starkes Netzwerk aufgebaut hat, eben auch bessere Chancen auf die Auszeichnung hat, so die Forscherin, die sich auch den „brillanten Verlierern“ aus Österreich in Bezug auf den Medizin-Nobelpreis gewidmet hat. Der Fokus liegt hier auf Personen, die trotz vieler Nominierungen nie den begehrten Preis erhalten haben. Aus österreichischer Sicht gilt dies vor allem für Sigmund Freud, der satte 33 Nominierungen auf sich vereinen konnte. „Ihm wurde vor allem vorgeworfen, dass er zu wenig Wissenschaftler ist“, so die Historikerin.

Dass er gut schreiben kann und ihn der Nimbus des Genialen umweht, war vielen klar. Dass seine Ideen aber kaum überprüfbar sind, störte allerdings auch zahlreiche Kollegen. „Man hat ihn dann auch für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen. Da blieb er aber auch erfolglos“, so Angetter-Pfeiffer. Ähnlich erging es einem der Pioniere der Medizingeschichte, Max Neuburger (1868-1955), dem man vorwarf, dass er zu langatmig geschrieben hat.

Preis als Beschleuniger

Auch oft vorgeschlagen wurde der Vater des Trägers des Medizin-Nobelpreises des Jahres 1973, Konrad Lorenz, Adolf (1854-1946). Er gilt als Mitbegründer der Orthopädie als eigenes Fach und war immerhin acht Mal nominiert. Ebenso nahe dran war der umstrittene österreichische Physiologe und Sexualforscher Eugen Steinach (1861-1944). Ähnliches gilt für den Kinderarzt und Immunologen Clemens von Pirquet (1874-1929), der u.a. den Begriff „Allergie“ geprägt hat, wie die Historikerin erklärte. Pirquet selbst schlug auch immer wieder Personen für den Nobelpreis vor, allerdings immer für den Friedenspreis – so etwa auch Bertha von Suttner.

Der ebenso preisverdächtige Krebsforschungspionier Vinzenz Czerny (1842-1916) hingegen habe sich auch einmal selbst vorgeschlagen – was das Nobelkomitee natürlich ablehnte. Wäre er ausgezeichnet worden, hätte die Krebsforschung vielleicht früher Fahrt aufgenommen, glaubt Angetter-Pfeiffer, denn der Preis könne als Beschleuniger für ganze Forschungsfelder fungieren. Nicht zuletzt gelte nämlich, dass Preise eine wichtige Währung in der Welt der Wissenschaft waren und bleiben.

Komplizierte Beziehung

Klar sei, dass nicht immer auf die Idee des Stifters, den Preis jenem zu geben, der zuletzt für den größten Nutzen für die Menschheit gesorgt hat, eingegangen wird. Vielfach werden Leistungen über den gesamten Lebensweg eines Forschers hinweg ausgezeichnet. Diese Persönlichkeiten verfügen dann auch über meist sehr große Netzwerke. In der Vergangenheit hatten auch klinische Forscher gegenüber Grundlagenforschern oft das Nachsehen, so die Wissenschaftlerin.

Österreich und seine Beziehung zu den Nobelpreisen sei jedenfalls durchaus kompliziert. So ist es bereits schwierig, überhaupt festzumachen, wer als „österreichischer“ Preisträger gilt. „Je nachdem, wie man es sieht, haben wir zwischen neun und 34 Preisträger“, sagte Angetter-Pfeiffer. So kommt man etwa mit dem Literaturnobelpreisträger des Jahres 2019, Peter Handke, auf 18 Nobelpreisträger, die innerhalb der Grenzen des heutigen Österreichs geboren sind.

Nimmt man das Gebiet, das zum Zeitpunkt ihrer Geburt zu Österreich gehörte dazu, kommt man auf mehr als 30. Dazu kommen Forscher, wie beispielsweise Martin Karplus (Chemie-Nobelpreis 2013) oder Eric Kandel (Medizin-Nobelpreis 2000), die sehr jung von den Nazis aus Österreich vertrieben wurden, und ihre Karriere in den USA gemacht haben. Den „österreichischen“ Literatur-Nobelpreisträger des Jahres 1981, Elias Canetti (1905-1994), „beanspruchen insgesamt sieben Länder für sich“, so Angetter-Pfeiffer.

Geringer Stellenwert der Forschung

Dass Österreich im Gegensatz zur Schweiz oder Deutschland seit vielen Jahrzehnten auf einen wissenschaftlichen Nobelpreis wartet, ist für Angetter-Pfeiffer durchaus nachvollziehbar. Es fehle nämlich auch am Stellenwert, den die Politik und die Bevölkerung der Wissenschaft zumisst. Obwohl Österreich „hervorragende Wissenschaftler hat“, gebe es im Vergleich zu anderen Ländern weniger Mittel und Möglichkeiten. Man könne heimische Unis etwa von ihrer Ausstattung her einfach nicht mit führenden Ländern vergleichen. Die Forschung sei eben „leider auch nichts, mit dem man Wahlen gewinnen kann und geht einfach unter“, so ein Fazit der Historikerin: „Vielleicht gibt die Situation rund um Covid aber den Anstoß zum Umdenken.“