Himmel mit Wolken bei Morgensonne
APA/dpa/Henning Kaiser
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Nobelpreise 2021

Physiknobelpreis für Klimaforschung und komplexe Systeme

Der Nobelpreis in der Kategorie Physik geht in diesem Jahr zur Hälfte an den Japaner Syukuro Manabe und den Deutschen Klaus Hasselmann. Die andere Hälfte geht an den Italiener Giorgio Parisi. Alle drei beschäftigen sich mit der Physik komplexer Systeme, etwa dem Weltklima. Die Nobelpreise sind mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie dotiert.

Komplexe Systeme zeichnen sich durch Zufälligkeit und Unordnung aus und sind daher sehr schwer zu verstehen. Der heurige Preis geht an neue Methoden, die diese Systeme beschreiben und ihr langfristiges Verhalten vorhersagen können. Die Meteorologen Syukuro Manabe (90) und Klaus Hasselmann (89) schafften so die Grundlagen für das Verständnis des Weltklimas und des menschlichen Einflusses. Der Physiker Giorgio Parisi (73) wird für seine revolutionären Beiträge zum Verständnis zufälliger Prozesse auf allen Ebenen – von der atomaren zur planetaren – ausgezeichnet.

Begründung des Nobelkomitees

Beginnend in den 1960er Jahren habe Manabe demonstriert, wie die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre zu einem globalen Temperaturanstieg führt, teilte das Nobelpreiskomitee mit. Als erster habe er die Wechselwirkung zwischen Strahlungsbilanz und dem vertikalem Transport von Luftmassen erforscht. Seine Arbeit habe den Grundstein für die Entwicklung der heutigen Klimamodelle gelegt.

Etwa ein Jahrzehnt später habe Hasselmann ein Modell geschaffen, das Wetter und Klima verknüpft, heißt es in der Begründung des Nobelpreiskomitees. So habe nachgewiesen werden können, dass der Temperaturanstieg in der Atmosphäre auf die Kohlendioxidemissionen des Menschen zurückzuführen ist.

Parisi habe gegen 1980 verborgene Muster in ungeordneten komplexen Stoffen entdeckt. Seine Entdeckungen zählen laut Nobelpreiskomitee zu den wichtigsten Beiträgen zur Theorie komplexer Systeme. Sie ermöglichen es, viele verschiedene und scheinbar völlig zufällige Stoffe und Phänomene zu verstehen und zu beschreiben, nicht nur in der Physik, sondern auch in anderen Bereichen wie der Mathematik, Biologie, den Neurowissenschaften und im maschinellen Lernen.

Dringender Kampf gegen Klimakrise

Preisträger Parisi hält den Kampf gegen die Klimakrise wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz COP26 für äußerst dringend. „Es ist klar, dass wir für künftige Generationen jetzt sehr schnell handeln müssen“, sagte der Italiener am Dienstag, als er während der Bekanntgabe der diesjährigen Preisträger in der Kategorie Physik in der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften telefonisch mit Reportern sprach. Es sei sehr dringend, dass klare und sehr kraftvolle Entscheidungen getroffen würden.

Nobelpreisverleihung Physik 2021
AFP/JONATHAN NACKSTRAND

Thors Hans Hansson vom zuständigen Nobelkomitee sagte, diejenigen Entscheidungsträger in der Welt, die die Botschaft des Klimawandels immer noch nicht begriffen hätten, würden das vermutlich auch in Zukunft nicht tun. Der Generalsekretär der Akademie, Göran Hansson, ergänzte, der Kampf gegen den Klimawandel basiere auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Weiters sagte Parisi, er sei „sehr froh“ über die Auszeichnung. „Das habe ich nicht wirklich erwartet“, sagte er. „Ich habe keinen Anruf erwartet.“ Wie er den Nobelpreis feiere, wisse er noch nicht.

Als Ansporn für weitere Forschungen will der zusammen mit Parisi und Manabe ausgezeichnete Hasselmann den Preis nehmen. „Ich bin noch ganz überrascht. Ich will gar nicht aufwachen, für mich ist das ein schöner Traum“, sagte Hasselmann der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich bin ja jetzt pensioniert und in letzter Zeit war ich ein bisschen faul. Ich freu mich über die Ehre. Die Forschung geht weiter.“

Kommende Preise

Im vergangenen Jahr hatten sich der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel, der Brite Roger Penrose und die US-Wissenschaftlerin Andrea Ghez die mit zehn Millionen Kronen (rund 985.000 Euro) dotierte Auszeichnung für ihre Forschungen zu Schwarzen Löchern geteilt.

Seit der ersten Vergabe im Jahr 1901 haben bisher 215 Forscher den Physiknobelpreis erhalten, darunter nur vier Frauen. Der US-Amerikaner John Bardeen bekam ihn zweimal.

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Mit der Bekanntgabe der Preisträger für Medizin begann am Montag die diesjährige Nobelpreissaison. Ausgezeichnet wurden die US-Forscher David Julius und Ardem Patapoutian für ihre Grundlagenforschung zur Hitze- und Druckwahrnehmung im menschlichen Körper. Am Mittwoch und Donnerstag folgen die Nobelpreise für Chemie und Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis und am Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften.

Virtuelle Preisverleihung

Vergeben werden die Preise allesamt an Nobels Todestag, dem 10. Dezember. Dabei erhalten die Ausgewählten auch ihre prestigeträchtigen Nobelmedaillen und Diplome. Die Nobelstiftung teilte bereits mit, dass zumindest bei der Preisverleihung in Stockholm wie im Vorjahr keine Preisträger in der schwedischen Hauptstadt sein werden. Sie werden stattdessen in ihren Heimatländern geehrt, das Ganze wird dann mit einer Zeremonie im Stockholmer Rathaus verwoben. Grund dafür sind nach Angaben der Nobelstiftung Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Coronavirus-Pandemie und damit verbundene Reisebeschränkungen.

Einzig das norwegische Nobelkomitee ließ sich noch die Möglichkeit offen, Preisträger für die Verleihung nach Oslo zu holen. Endgültig darüber entscheiden will das Komitee Mitte Oktober. Wegen der Pandemie waren die sonst höchst feierlichen Preisvergaben bereits 2020 deutlich kleiner und anders ausgefallen als üblicherweise.