Passanten als Silhouetten auf Bahnhofsgelände
APA/dpa/Nicolas Armer
APA/dpa/Nicolas Armer
Kommunikation

Tiefgründige Gespräche mit Fremden tun gut

Einander fremde Menschen führen in der Regel Unterhaltungen über das Wetter oder die geplanten Urlaubsziele. Es geht aber auch anders, wie eine neue US-Studie zeigt: Mit Unbekannten lässt sich auch ein sinnvolles und tiefgründiges Gespräch führen – dabei kann sogar ein Gefühl der Verbundenheit entstehen.

Im Stiegenhaus, an der Haltestelle oder im Supermarkt: Alltägliche Situationen bieten oft die perfekte Möglichkeit, mit einer unbekannten Person ins Gespräch zu kommen. Wirklich tiefgründige Themen werden dabei selten besprochen. Schon der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer habe argumentiert, dass Menschen zwar nach tiefen und intimen Beziehungen streben, aber gleichzeitig befürchten, die Intimität könnte ihnen unangenehm werden, schreibt dazu das Forschungsteam um Nicolas Epley in einer kürzlich in der Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“ erschienenen Studie. „Eine sinnvolle Konversation sowie das Vertrauen in andere Menschen machen uns glücklich, trotzdem scheint es so, als würden wir uns im Alltag dagegen sträuben“, erklärt der Forscher in einer Aussendung zur Studie.

Tiefgründig statt oberflächlich

Zu Forschungszwecken wurde nun versucht, ein angenehmes und gleichzeitig tiefgründiges Gespräch zwischen Unbekannten zu erzeugen. In zwölf Experimenten wurden die über 1.800 Testpersonen aufgefordert, Gespräche mit fremden Menschen zu führen. Dabei wurden Fragen gestellt, die entweder recht oberflächliche oder tiefgründige Themen behandelten: „Mögen Sie es, früh oder spät aufzustehen und warum?“ versus „Wofür sind Sie in Ihrem Leben am meisten dankbar?“. Die Auswertung der Befragungen zeigt: Teilnehmerinnen und Teilnehmer standen dem Gespräch mit fremden Personen anfangs skeptisch gegenüber. Trotzdem wurden sowohl der oberflächliche als auch sinnvolle Austausch als äußerst positiv empfunden.

Die Probanden gaben an, dass besonders die tiefgründigen Unterhaltungen zu offenerer Kommunikation geführt haben. Nachdem die erste Scham überwunden war, konnten sich die Probanden gegenüber ihren Gesprächspartnern öffnen und fühlten sich einander stärker verbunden. Die positive Einstellung zum Gespräch war demnach viermal höher als bei jenen Personen, die sich über oberflächlichere Themen unterhielten.

Erwartungen an das Gespräch

Die Experten der University of Chicago halten trotz positiver Ergebnisse fest: Solche Gespräche kommen im Alltag nur selten vor. „Menschen glauben das Gegenüber würde sich langweilen. Dabei zeigen unsere Ergebnisse, dass der Gesprächspartner sehr wohl Interesse an persönlichen Erfahrungen hat“, erklärt der Forscher. Es liege in der menschlichen Natur, sich anderen Personen mitteilen zu wollen – würde man mehr von sich preisgeben, könne dadurch ein tiefes Gespräch zustande kommen.

Das finale Experiment der Studie beschäftigte sich mit den jeweiligen Erwartungshaltungen der Testpersonen. So wurde den Probandinnen und Probanden vor dem Gespräch mitgeteilt, dass ihr Gegenüber eine besonders einfühlsame Person sei. Durch diese Information hatten die Probanden weniger Hemmungen, ihre persönlichen Erfahrungen zu teilen.

Die Experimente machen deutlich, dass Menschen sehr wohl Interesse an sinnvollen Gesprächen haben und dass diese daher auch gefördert werden sollten, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Schon ein kurzer Moment in der U-Bahn kann den Tag einer Person verändern – warum also nicht mit einem Gespräch, das beide bereichert?