Moos auf Waldboden
Philipp Sürth/stock.adobe.com
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Paläobotanik

Zu den Wurzeln der pflanzlichen Evolution

Vor mehr als 450 Millionen Jahren breiteten sich Pflanzen auf der Erdoberfläche aus. Erst das machte die Entstehung der Atmosphäre möglich. Voraussetzung dafür waren Wurzeln. Wie die entstanden sind, untersucht das Gregor Mendel Institut in Wien. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten auch die Entwicklungen treffsicherer Herbizide möglich machen.

Als die Pflanzen das Land besiedelten, habe sich das Erdsystem von Grund auf geändert, sagt der Paläobotaniker Liam Dolan vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die dramatischen Klimaveränderungen, zu denen es vor 450 Millionen Jahren kam, sind darauf zurückzuführen. Davor sei der Planet eine Art Treibhaus gewesen, erklärt Dolan.

Vom Treibhaus zur Atmosphäre von heute

„Das Kohlenstoffdioxid-Niveau in der Atmosphäre war sehr hoch genauso wie die Temperaturen, erst die Landpflanzen änderten das“, sagt Dolan. Dabei schufen die Landpflanzen nicht nur eine Umwelt, in der letztlich auch der Mensch entstehen konnte, sie veränderten auch das Erdklima dramatisch.

Diese ersten Landpflanzen entzogen der Atmosphäre Kohlendioxid. Einerseits durch Photosynthese: Das aufgenommene CO2 reagiert mit Wasser und es entsteht Zucker, die Energiequelle, die alles Leben auf der Erde antreibt. Die Pflanzen nutzen den Zucker, um zu wachsen. Ihr Zellmaterial wurde schließlich zu Kohle, eingebaut in die Gesteinsschichten.

Wurzeln machten Besiedelung möglich

Außerdem reduzieren Pflanzen das CO2 in der Atmosphäre, in dem sie eine chemische Reaktion beschleunigen, über den Carbonat-Silikat-Zyklus. Wenn sich CO2 in Wasser löst, entsteht Kohlensäure. Und diese Kohlensäure reagiert mit Gestein. Als Resultat scheidet das Gestein Bikarbonat in die Gewässer aus, das schließlich ins Meer gelangt, wo es mit Kalzium reagiert und schließlich Kalkstein entsteht. „Und auch das führt dazu, dass der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen wird und im Ozean landet, wo es nicht mehr zirkulieren kann“, so Dolan.

Ö1-Sendungshinweis:

Über die Entstehung pflanzlicher Wurzeln berichten heute auch Wissen Aktuell, um 13.55 Uhr, und das Dimensionen-Magazin, um 19.05 Uhr, in Ö1.

Die Landpflanzen konnten den CO2-Gehalt der Erdatmosphäre also nachhaltig reduzieren und tun das bis heute. Deswegen wollte der Paläobotaniker erforschen, was diese Besiedelung möglich machte. Ausschlaggebend war die Entstehung wurzelartiger Strukturen. Denn während Pflanzen wie Seegräser permanent von Wasser und Nährstoffen umgeben sind, brauchen Landpflanzen Strukturen, um an ihre Nahrung zu kommen.

Fossilien und genetische Analysen

Der Paläobotaniker arbeitet daher mit Pflanzenfossilien, die 407 Millionen Jahre alt sind, konserviert in Schottland in Hornstein. „Wir betrachten die Morphologie der Fossilien und benutzen 3D-Rekontruktionen dieser Pflanzen“, erklärt Dolan. So wollen die Forschenden verstehen, welche Wurzelstrukturen diese ersten Pflanzen hatten. Bei diesen frühesten Wurzelstrukturen handelte es sich um sehr feine Härchen, die aus der Unterseite der Pflanzen in den Boden wachsen.

Die feinen Härchen verankerten die Pflanzen im Boden und gaben ihnen Zugang zu Wasser und Nährstoffen. Die untersuchte Pflanzengattung, Asteroxylon, ist heute ausgestorben. Zu den existierenden Verwandten zählen Brachsenkräuter und Moosfarne. Der zweite Ansatz, den Liam Dolan und sein Team verfolgen, ist, jene Gene in lebenden Pflanzen zu identifizieren, die für die Entstehung von Wurzelzellen zuständig sind.

Gleiches genetisches Programm bis heute

Unter den Landpflanzen gebe es grundsätzlich zwei Arten, sagt Dolan. Es gebe einen Zweig auf dem phylogenetischen Baum, dem evolutionären Baum der Landpflanzen, die keine Wurzeln, sondern diese haarähnlichen Wurzelstrukturen ausbilden. Und auf dem anderen evolutionären Zweig finde man die Blütenpflanzen, die auch spezialisierte Achsen ausbilden, Triebe und Sprossachsen, die ebenfalls mit Härchen bedeckt sind. „Das ist das, was wir als Wurzeln kennen, wenn man eine Pflanze ausgräbt“, so Dolan weiter.

Die Analyse beider Pflanzentypen zeigte, dass die gleichen Gene für die Ausbildung der Wurzelstrukturen zuständig sind. „Diese spezialisierten haarähnlichen Wurzelstrukturen, die wir bei den mehr als 400 Millionen Jahre alten Fossilien gefunden haben, wurden von jenen Genen programmiert, die wir in den heute lebenden Pflanzen entdeckt haben“, ergänzt Dolan. Bei Fossilien können die Forschenden keine genetischen Analysen durchführen. Aber man könne in ihren Nachkommen Beweise finden, die zeigen, was die Spezialisierung dieser Zellen in den Fossilien möglich machte, erklärt der Paläobotaniker.

Neue, umweltfreundlichere Unkrautvernichter

Die Grundlagenforschung zur Evolution der Landpflanzen habe auch neue Ansätze für die angewandte Forschung eröffnet, sagt Dolan. Mit Hilfe der dafür entwickelten Technologien könne man nun genauer untersuchen, wie Pflanzenzellen mit Chemikalien interagieren und so an Herbiziden forschen, die Unkraut gezielter angreifen und dadurch umweltfreundlicher sind.

„Wir können mit dieser Technologie auch eine wesentlich größere Anzahl natürlicher Unkrautvernichter screenen und ihre Wirkung bestimmen, als bisher aus Zeit- und Geldgründen möglich war“, so Dolan. Dabei konzentrieren sich die Forschenden auf genetisch simple Pflanzen wie Lebermoose, die, anders als viele andere Pflanzen, keinen doppelten Chromosomensatz haben, sondern haploid sind.