bedrückte Stimmung: Mädchen blickt aus dem Fenster
fizkes – stock.adobe.com
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Pandemie

Jugendliche noch immer psychisch belastet

Als Schulen und Sportvereine geschlossen waren, ist die Zahl der psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen in die Höhe geschnellt. Zwar haben die Schulen wieder auf. Vielen Jugendlichen geht es aber nach wie vor schlecht.

Am Sonntag (10.10.) ist der Tag der seelischen Gesundheit. Und diese ist besonders bei Kindern und Jugendlichen schwer angeschlagen durch die Pandemie. Mehr als die Hälfte der österreichischen Schülerinnen und Schüler zeigte im Winter dieses Jahres depressive Symptome, viele berichteten über Ängste und Schlafstörungen. Im März veröffentlichten die Donau Uni Krems und die Meduni Wien eine Studie mit diesen alarmierenden Zahlen.

Unsicherheit macht krank

Essstörungen, Drogenkonsum, Selbstverletzung und Suizidversuche haben seit Corona massiv zugenommen, berichtet auch Barbara Haid vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie. Sie arbeitet als Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche in eigener Praxis in Innsbruck und ist außerdem als Psychotherapeutin am Landeskrankenhaus in Hall tätig. Nach einem etwas entspannteren Sommer gibt es jetzt wieder eklatant steigenden Bedarf, berichtet sie.

Vor allem die Gruppe der 16- bis 21-Jährigen sei gefährdet. Die Zukunft erscheine vielen weiterhin beängstigend unsicher. Auch das Testen in den Schulen sei nicht für alle unproblematisch, erklärt sie: „Es gibt welche, für die ist das ganz selbstverständlich, und es gibt aber auch viele, für die ist das schwierig.“

Essstörungen durch Pandemie begünstigt

Während kleine Kinder auf den psychischen Stress oft mit Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Ängsten reagieren, sei bei jugendlichen Mädchen und Buben die Zahl der Essstörungen explodiert. Barbara Haid führt mehrere Gründe dafür an. Wegen der sozialen Isolation haben sich viele junge Menschen sehr auf sich selbst und ihren Körper konzentriert, meint sie. Das soziale Umfeld, das vielleicht korrigierend oder ermahnend hätte einwirken können, sei weggefallen. Das habe bei vielen den Krankheitsverlauf der Essstörung begünstigt.

„In dieser unglaublich unsicheren Zeit, wo nichts mehr berechenbar, nichts mehr kontrollierbar war, war diese Kontrolle über das eigene Essverhalten und über den eigenen Körper etwas, das den Menschen zumindest subjektiv Kontrolle über ihr eigenes Leben vermittelt hat“, erklärt Barbara Haid einen weiteren möglichen Grund für die Essstörung.

Noch lange nicht vorbei

Sie warnt davor, dass der Therapiebedarf auch dann steigen wird, wenn die Pandemie wirklich einmal vorbei sein sollte. Viele Menschen reagieren erst zeitlich verzögert auf psychische Belastungen, dann aber umso heftiger. “Insofern verwundert es uns nicht, dass die Entlastung trotz Lockerungen, trotz Schulöffnung nicht wirklich in dem Ausmaß eingetreten ist, wie es die Allgemeinheit erhofft hat“, so Haid.

Kassenplätze fehlen

Rund 60.000 Minderjährige bräuchten in Österreich eine Psychotherapie, bekommen aber keine, weil Kassenplätze fehlen, schätzt Barbara Haid.

Laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) haben 2020 rund 13.000 Kinder einen voll finanzierten Therapieplatz bei der ÖGK erhalten. Die ÖGK strebt an, in Zukunft 1,23 Prozent der Gesamtbevölkerung mit Psychotherapie versorgen zu können. Derzeit liegt sie weit darunter. Der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie fordert gar, eine Versorgungsrate von fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Österreich zu gewährleisten.