Studentin sitzt in ihrer Wohnung vor dem Laptop
SolisImages – stock.adobe.com
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Universitäten

Noch Hunderte Erstsemester im Onlinestudium

Diese Woche hat das neue Semester an den Universitäten begonnen. Viele Institute haben erstmals in größerem Rahmen wieder ihre Türen für die Studierenden geöffnet. Allseits wurde beteuert, dass es eine gute Mischung aus Online- und Präsenzlehre geben soll. Die Realität sieht mancherorts ganz anders aus, etwa für einige Erstsemester an der Universität für Bodenkultur.

Dass die Studierenden ihr altes Sozial- und Unileben längst nicht zurückhaben, das zeigt das Beispiel hunderter Erstsemester an der Universität für Bodenkultur in Wien, kurz Boku. Die 19-jährige Stefanie etwa studiert seit Kurzem Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku. Ihre Hoffnungen auf Präsenzlehre muss sie vorerst begraben. Sie habe zehn Lehrveranstaltungen belegt, davon seien neun ausschließlich online. Eine einzige Veranstaltung gebe es, „wo wir uns wöchentlich für eine Präsenzveranstaltung anmelden können. Da passen 40 Leute rein, aber die Anmeldungen für den Kurs gibt es circa 300.“

Kaum Chance auf Präsenz

Volkswirt Martin Kniepert, der die Erstsemester in Mikroökonomie unterrichtet, bietet die von Stefanie erwähnte, derzeit einzige Hybridveranstaltung für die Erstsemester an. Er hat die Präsenz-Teilnehmerzahl bereits von 40 auf 50 erhöhen können und verweist weiters auch darauf, dass im Fach Umweltethik zusätzlich zur Onlinevorlesung Tutorien mit Präsenzcharakter angeboten werden sollen. Auch hier muss man aber erst einmal einen Platz ergattern.

Bei der Planung des Herbstsemesters setzte die Boku zunächst aus Vorsicht auf sehr viel Onlinelehre, schwenkt aber nun um, da die Impfquote unter den Studenten zwischen 80 und 90 Prozent liegt und die CoV-Zahlen nicht, wie erwartet, noch stärker gestiegen sind.

Mittlerweile habe man das Sicherheitskonzept überarbeitet und auf über 50 Prozent Präsenzlehre bei den Bachelorstudiengängen erhöht, so Hubert Hasenauer, Rektor der Universität für Bodenkultur. Dazu zählt die Boku allerdings auch Onlineveranstaltungen mit nur einem kleinen Anteil persönlicher Anwesenheit. Für die 344 Erstsemester-Studierenden des Studiengangs Umwelt- und Bioressourcenmanagement ändert sich vorerst nichts, gibt Hubert Hasenauer zu: „Das ist unsere größte Studienrichtung. Da ist dann natürlich auch die Limitierung des Hörsaales ein Problem, das muss man ganz klar sagen.“

Perspektivlosigkeit macht sich breit

Studentin Stefanie hat bereits ein Jahr Onlinelehre an einer anderen Universität hinter sich. Dass nun an der Boku alles wieder mit viel Distanzlehre startet, erschüttert sie. „Für mich ist das sehr belastend. Niemals rauszukommen, und dann auch die ständig wechselnden Maßnahmen. Ich glaube, in manchen Zeiten war ich richtig depressiv deswegen“.

Stefanie Nikl, Vorsitzende von der Österreichischen Hochschülerschaft der BOKU setzt sich für die Erstsemester ein und fordert, „dass zum Beispiel Professorinnen anbieten, sie machen kleine Einheiten, wo sich Studierende anmelden können und vorbeikommen können, um den Stoff zu diskutieren und nochmal Fragen zu stellen.“

Rektor Hubert Hasenauer kann sich vorstellen, dass es ab Ende Oktober zumindest kleinere Diskussionsgruppen geben wird: „Wir möchten uns hier eine Alternative überlegen, damit die Studierenden mit den Unterrichtenden irgendwie persönlich in Kontakt kommen können.“

Zu wenig hybride Lehre

Von der Beschränkung auf online sind nicht alle Erstsemester der Boku betroffen; jene Studienrichtungen, die mit viel Praxis verbunden sind, etwa mit Modellbau oder Labortätigkeiten, haben mehr Präsenzangebote. Die Studierenden des Studiengangs Umwelt- und Bioressourcenmanagement haben besonders viel Theorie und sind zahlenmäßig die größte Gruppe. Sie wurden von Beginn an nur im Onlinemodus eingeplant. Das lässt sich nun kaum noch ändern.

Fehlende Räumlichkeiten und Lieferprobleme bei der Technik sind mit Schuld daran, dass es immer noch zu wenig Möglichkeiten für hybrides Lernen, also eine Mischung aus Online und Präsenz, an der Boku gibt. Das kritisiert auch die ÖH: „Unsere Forderung ist auf jeden Fall, die hybride Lehre auszuweiten, nicht nur für die Erstsemester. Obwohl die besonders im Fokus stehen sollten, die sind schon wirklich besonders arm dran“, so Stefanie Nikl.

Onlinevorlesungen anstrengender

Die Studentin Stefanie fragt sich derweil, wie lange das noch so weitergeht. Es sei extrem anstrengend, den Online-Vorlesungen stundenlang konzentriert zuzuhören. Immer wieder treten auch technische Probleme auf, manchmal fehlt plötzlich der Ton, oder die Vorlesung ist von der Präsentation her ungeeignet für Onlinehörerinnen. Die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben hat sich für sie fast komplett aufgelöst.

Auch die 19-jährige Iris, Erstsemester am Institut für Umwelt- und Bioressourcenmanagement, ist höchst unzufrieden mit der Situation: „Ich glaube, es sind eigentlich alle enttäuscht, wie das Ganze abläuft. Wenn man vor allem auch von anderen Universitäten hört, wie es funktionieren kann, finde ich es persönlich sehr schade, dass auf der Boku bis jetzt noch kein passender Weg gefunden worden ist.“

Gerade als Erstsemester brauche sie das reale Unileben, um Menschen kennenzulernen und in ihren neuen Lebensabschnitt als Studentin hineinzufinden. „Ich persönlich fühle mich nicht so wohl damit, zuhause zu sitzen, und hoffe, dass sich die Situation bald verbessert“.

Die meisten wollen Präsenz

Lehrbeauftragter Martin Knieper hat eine nicht repräsentative Umfrage unter den Erstsemestern am Institut für Umwelt- und Bioressourcenmanagement gemacht, um den Bedarf an Präsenzveranstaltungen zu erfragen. Rund 70 Prozent der Studierenden gaben an, präsent sein zu wollen, 30 Prozent waren mit dem jetzigen Modus zufrieden. Das mag auch daran liegen, dass viele Erstsemester aufgrund der Pandemie und der Aussicht auf ein Onlinestudium einem engen WG-Zimmer gar nicht erst nach Wien gezogen sind, sondern weiterhin auf dem Land bei den Eltern wohnen.

Jene, die in Wien sind, vernetzen sich mittlerweile über Soziale Medien und treffen sich immer wieder im kleinen Gruppen an der Uni. Dort lauschen sie gemeinsam den Vorlesungen, die in ihren Laptops stattfinden.

Ab dem Sommersemester 2022 soll die gesamte Lehre an der Boku im Präsenzmodus stattfinden, verkündet Rektor Hasenauer. Für die Studierenden bleibt zu hoffen, dass das Coronavirus da mitspielt.