Testanlage in Dänemark für CO2-Abspaltung
Ida Guldbaek Arentsen / Ritzau Scanpix / AFP
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Geoengineering

Geoengineering: Viele Fragen offen

Die derzeitigen Klimaschutzmaßnahmen reichen nicht aus, um die Klimaziele noch zu erreichen. Technische Eingriffe in das Klimasystem rücken immer stärker ins Zentrum der Debatte. Eingriffe, die laut Experten noch nicht ausgereift und bei denen viele gesellschaftliche Fragen offen sind.

Wenn es um das Erreichen von Klimaneutralität geht, werden oftmals negative Emissionen miteingerechnet. Wie genau man diese erreichen möchte, bleibt aber unklar. „Sie werden einfach mit hereingenommen aus der Not heraus, dass man sieht, in den Projektionen reichen die Einsparung von CO2 nicht aus“, sagt Nils Matzner, der an der TU München zu Governance und Verantwortung bei neuen Klimatechnologien forscht. Was fehle sei eine gesellschaftliche Debatte über die dahinterstehenden Technologien und deren mögliche Folgen.

Mögliche Geoengineering-Maßnahmen

Eine Möglichkeit „negative Emissionen“ zu erhalten, sind Kohlendioxid-Reduktionsmaßnahmen. Dabei wird CO2, das bereits emittiert wurde, aus der Atmosphäre geholt und gebunden, etwa indem es unterirdisch verpresst oder chemisch aufgeschlüsselt wird, erklärt Mark Lawrence, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam.

Zudem werden in der Wissenschaft Maßnahmen diskutiert und modelliert, die in den Strahlungshaushalt der Erde eingreifen, wie Lawrence in einer Überblickstudie herausgearbeitet hat. „Man versucht die Erdatmosphäre abzukühlen, indem mehr Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird oder mehr Infrarotstrahlung, die natürlicherweise von der Erdoberfläche kommt, durch die Atmosphäre gelassen wird.“ Beispielsweise werden Partikel in der Stratosphäre besprühen, damit diese eine Schicht bilden, die dann wie Tau das Sonnenlicht reflektiert oder Wolken werden so verändert, dass sie heller werden.

Forschung steht erst am Anfang

Die Forschung zu Maßnahmen, die den Strahlungshaushalt der Erde verändern, stecke derzeit noch in den Kinderschuhen, meint der Klima- und Atmosphärenwissenschaftler. Es gebe zwar mittlerweile Modelluntersuchungen, die zeigen, dass eine Modifikation der Atmosphäre eine abkühlende Wirkung haben könnte und wahrscheinlich auch relativ steuerbar ist. Wichtig sei hier aber der Konjunktiv, betont Lawrence. Denn bisher gebe es nur Ideen und Modelle, keine Experimente oder größere Tests. „Es gab zwei Versuche, Experimente zu starten und beide wurden dann zurückgezogen bzw. verschoben, weil der gesellschaftliche Widerstand gegenüber solchen Experimenten zu groß war.“

Es werde wahrscheinlich noch rund fünfzig Jahre dauern, bis Kohlendioxid-Entfernungsmaßnahmen im großen, sprich klimarelevanten Stil einsetzbar sind, schätzt Lawrence. Ob das bei Maßnahmen, die in den Strahlungshaushalt der Erde eingreifen, jemals der Fall sein wird, sei fraglich. Jedenfalls sollte man weder mit den einem noch den anderem in den kommenden Jahrzehnten fix rechnen.

Unsichere Hochrisikotechnologie

„Geoengineering ist eine Risikotechnologie, sogar eine Hochrisikotechnologie“, sagt der Wissenschaftssoziologe Nils Matzner. Wird beispielsweise die Sonneneinstrahlung durch das Ausbringen von Aerosolen in die Atmosphäre reduziert, dann würden Modelle zeigen, dass sich möglicherweise Niederschlagsmuster oder Wetterphänomene verändern können. Technologien würden zwar immer mit Risiken einhergehen, bei Geoingeneering seien viele Risiken aber noch schwer einschätzbar bzw. hätten ein globales Ausmaß. „Wir könnten selber Naturkatastrophen erzeugen, was wieder zu globalen politischen und Gerechtigkeitsproblem führt.“

Viele Fragen im Zusammenhang mit Geoengineering seien noch offen, meint Matzner. Wie etwa die Frage: Wer ist verantwortlichen für den unbeabsichtigten Schaden, der beim Einsatz dieser Technologien auftreten kann? Was die politische und rechtliche Bearbeitung dieser neuen Technologien betrifft, seien Wissenschaft und Technik viel weiter als der politische Diskurs. „Was manchmal schwierig ist, weil jetzt tatsächlich die internationale Wissenschaft viel mehr darüber redet, wie man Governance gestalten könnte, ohne dass Governance selber schon im Entstehen ist.“