Eine Frau wird in den Oberarm geimpft
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
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Seltene Impfkomplikationen gut behandelbar

In sehr seltenen Fällen können nach einer Impfung mit Coronavirus-Vektorimpfstoffen Hirnvenenthrombosen auftreten. Bei schneller Behandlung überstehen die meisten Betroffenen eine solche Komplikation aber ohne Spätschäden, wie nun Wiener Mediziner und Medizinerinnen berichten.

Die Wissenschaft hat inzwischen Namen für diese Komplikation, die nach einem Stich mit den Impfstoffen von AstraZeneca bzw. Janssen auftreten kann: VIPIT (Vakzin-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie) oder VITT (Vakzin-induzierte thrombotische Thrombozytopenie). Sie umfasst einen plötzlich auftretenden Mangel an Blutplättchen in Kombination mit einer massiv verstärkten Neigung zu gefährlichen Thrombosen bis hin zu Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen). Das trat im Fall des Falles frühestens fünf Tage bis etwa 20 Tage nach der Immunisierung auf.

Sehr seltene Fälle

„Dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) wurden insgesamt 15 Fälle in zeitlicher Nähe zu einer Impfung mit den COVID-19-Impfstoffen von AstraZeneca und Janssen gemeldet, bei denen das Krankheitsbild einer VITT vermutet wird“, schrieb die österreichische Behörde für den Zeitraum von 27. Dezember 2020 (Beginn der Covid-19-Impfungen) bis 24. September 2021. Die Häufigkeit von Sinusvenenthrombosen wurde nach Verwendung des Astra-Zeneca-Impfstoffs von Wissenschaftlern mit fünf Fällen pro einer Million verabreichter Impfdosen angegeben. Alle Arzneimittelbehörden sprechen weiterhin von einer „sehr seltenen“ möglichen Komplikation.

Therapie: Antikörper und Blutgerinnungshemmer

Die Therapie umfasst laut den Empfehlungen hoch dosiertes Immunglobulin (IgG-Antikörper aus Spenderplasma) und vor allem eine medikamentöse Blutgerinnungshemmung ohne Verwendung des bekannten Heparins (z.B. sogenannte direkte orale Antikoagulantien – DOAKs). Die Frage war aber bisher, wie lange bei solchen Patienten die Blutgerinnungstherapie aufrechterhalten werden muss.

Ein Team um Johannes Thaler von der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie von MedUni Wien/AKH hat dazu jetzt die erste Langzeit-Beobachtungsstudie veröffentlicht. Sechs VIPIT-Patienten etwa zehn Tage nach AstraZeneca-Impfung – drei mit Thromboembolien, drei ohne Thrombosen – und allen Laborzeichen des typischen Blutplättchenmangels bei gleichzeitig massiv aktivierter Blutgerinnung wurden rund drei Monate nachverfolgt.

Gute Behandlungserfolge

Die Behandlungsergebnisse waren ausgesprochen gut, schrieben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt im Fachjournal „Thrombosis Research“ (3. Oktober): „Die Routine-Laborparameter besserten sich schnell nach Beginn der Behandlung (Antikoagulation ohne Heparin bei allen Patienten und Patientinnen und hoch dosierte Immunglobuline mit oder ohne Kortison bei fünf von ihnen). Die Patienten wurden in guter körperlicher Verfassung (aus dem Spital; Anm.) entlassen.“

Das erfolgte im Durchschnitt nach acht Tagen Behandlung. „VIPIT trat während des Nachbeobachtungszeitraums (durchschnittlich zwölf Wochen; Anm.) nicht noch einmal auf.“ Bei zwei der drei Patienten mit Thrombosen hatten sich diese wieder aufgelöst, bei einem Patienten wurde weiterhin Atemnot unter Belastung registriert.

Schnelles Handeln erforderlich

Die Genesungsaussichten sind damit auch bei diesen sehr seltenen, aber schweren, Komplikationen gut. „Eine Remission ohne Folgeschäden kann bei VIPIT-Patienten bei schnellem Behandlungsbeginn erreicht werden“, stellten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen fest. Weil einer der offenbar entscheidenden Faktoren, sogenannte Plättchen-Faktor-4-Antikörper (PF4-Antikörper) unter der Therapie nur langsam wieder verschwinden, sollte offenbar die gerinnungshemmende Therapie fortgeführt werden, bis diese Antikörper wieder verschwunden sind.

Jedenfalls sollte bei Verdachtsmomenten für eine solche Komplikation schnell gehandelt werden. Zu den ersten Symptomen gehören Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit/Erbrechen, Sehstörungen, Brustschmerzen, Schwellungen an Armen oder Beinen oder Atemnot. Die Problematik hat in vielen Ländern zur drastischen Einschränkung der Verwendung des britischen Vektor-Impfstoffs gegen Covid-19 von AstraZeneca und der Universität Oxford gesorgt.