Die Sängerin Martina Topley-Bird
AFP LEON NEAL
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Anthropologie

Warum es Musik gibt

Musik kann erbauen, aufheitern und zum Tanz anregen. Aber warum haben sie die Menschen überhaupt entwickelt? Eine These besagt, dass Musik ursprünglich vor allem als sozialer Kitt diente. Eine neue Studie hat nun Argumente für diese These gesammelt – sie ist aber nicht unumstritten.

„Unser Forschungsansatz geht von der Idee aus, dass die Musik unseren Vorfahren ein mächtiges Werkzeug an die Hand gab, um dauerhafte soziale Bindungen zu knüpfen", sagt der Kognitionsbiologe Tecumseh Fitch von der Universität Wien. Er räumt aber ein, dass frühere Gedankengebäude dazu eher unvollständig geblieben sind und daher in Fachkreisen vielfach abgelehnt wurden.

Positive Gefühle erzeugen Vertrauen

„Wir versuchen, die intuitive Idee zu retten, dass das gemeinsame Musizieren – wie es die Menschen wahrscheinlich seit etwa einer Million Jahren tun – neuronale Schaltkreise aktiviert, die positive Gefühle der Nähe und des Vertrauens zu anderen erzeugen. Als sich der Mensch weiterentwickelte und immer stärker davon abhängig wurde, dass Gruppen gut zusammenarbeiten, war die Musik eine entscheidende Schlüsselinnovation“, meint Fitch in einer Aussendung.

So habe Musik unseren Vorfahren dabei geholfen, in und zwischen Gruppen Beziehungen aufzubauen. Letztlich könne sie als einer der Schlüssel zum Aufbau komplexer Gesellschaften gesehen werden, wie ein Team um Fitch in einem Artikel argumentiert, der soeben in der Fachzeitschrift „Behavioral and Brain Sciences“ erschienen ist.

Andere These stellt Nützlichkeit in Vordergrund

Dieser Ansicht widersprechen andere Forschergruppen: In einem zweiten Beitrag von Samuel Mehr von der Harvard University (USA) in dem Fachmagazin wird davon ausgegangen, dass sich Musik in bestimmten Zusammenhängen als sehr nützlich erwiesen hat. So etwa, wenn es darum ging, durch koordinierte rhythmische Aktivitäten Zusammenhalt und die Stärke von Gruppen zu signalisieren. Zudem sehen Mehr und Kollegen die Entwicklung des Singens vor allem im Zusammenhang der Kinderbetreuung als wichtig an.

Dem hält wiederum Fitch entgegen, dass in der Theorie der allgemeinen sozialen Bindungsfunktion der Musik die anderen diskutierten Begründungen für das Entstehen des Phänomens mit abgedeckt wären. Für die Forscher und Forscherinnen könnte gemeinsames, synchrones Singen und andere Vorformen des Musizierens im Gehirn tief gehende Prozesse ausgelöst haben, die sich im Fortgang der Evolution als wichtig erwiesen, und so auch Eingang in die genetische Entwicklung gefunden haben. Die Musik habe auch den Zusammenhalt zwischen größeren Gruppen besser fördern können, als das mit der etwa unter Affen weitverbreitete Körperpflege in der Gruppe („Grooming“) erreicht werden konnte.