Fotos aus Album und Computer
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Topothek

Eine Million Privatdokumente zu Alltagsgeschichte

Das Foto vom Dorffest aus den 1970er Jahren, ein altes Video vom Fußballspiel der Kinder: Was auf den ersten Blick unwichtig erscheint, erzählt Kulturgeschichte. Vor über zehn Jahren wurde die Topothek gegründet. Heute betreiben hunderte Orte in Österreich solche Plattformen, auf denen sie Fotos, Texte, Filme und Audiodateien sammeln. Vor Kurzem wurde das millionste Dokument hochgeladen.

Zu hören ist in der Topothek Helfenberg zum Beispiel Maria Anzinger, Jahrgang 1925, aus dem oberösterreichischen Helfenberg. Sie erzählt von ihrer Kindheit und wie man damals Brot gebacken hat in ihrem Dorf. 2017 ist Frau Anzinger verstorben. Die Interviewerin Marion Schweighofer hat diese Aufnahme der Topothek Helfenberg zur Verfügung gestellt. Da ist sie nun für alle abrufbar- neben einer Menge historischer Bilder von Menschen, Landschaften, Häusern und Geräten.

Eine Plattform für viele Orte

Initiator Alexander Schatek hat die Topothek 2010 gegründet, anfangs aus rein privatem Interesse. Er wollte seine Bilder und Familiendokumente in einem Archiv verschlagworten und für sich sortieren. Heute ist die Topothek zu einer Plattform angewachsen, die allein in Österreich über 300 lokale Topotheken vereint. Die Gemeinden finanzieren die Technik, alles andere wird von ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistet. Sie nehmen Material von Privatpersonen an, scannen es ein und verschlagworten es in der Online-Datenbank.

„Das Kind am Gartenzaun würde ein zentrales Archiv wohl wenig interessieren. Also wenn das nicht in einem Kontext der Gemeinde steht, wäre da viel an Sammelwürdigkeit eigentlich gar nicht gegeben“, erklärt Alexander Schatek die Idee hinter der Topothek.

Über eine Million Dokumente

Und so entstanden hunderte kleiner Online-Dorfchroniken, die immer weiter wachsen. Im September wurde das millionste Dokument hochgeladen, es handelt sich dabei um einen Heimatschein von 1924 aus der Weinviertler Gemeinde Poysbrunn, damals eine Art Staatsbürgerschaftsnachweis.

Screenshot der Topothek Dellach (Kärnten)
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Screenshot der Topothek Dellach (Kärnten)

Immer wieder erreichen die Gemeinden-Topotheken Anfragen aus Übersee, von Nachfahren ausgewanderter Angehöriger, die auf den Topotheken erstmals Bilder ihrer Vorfahren finden. Auch für Heimatforscher und Bürgerwissenschaftlerinnen bieten die Topotheken mitunter überraschende Erkenntnisse.

Alexander Schatek erzählt von einem Bild aus den 1920er Jahren, auf dem ein Winzer mit einem Weinheber zu sehen ist. Ein Glasgefäß, mit dem Wein aus einem größeren Behälter zur Probe entnommen wird: „Und da drinnen ist eine dunkle Flüssigkeit, das erkennt man auf diesem Schwarz-Weiß-Bild. Einem Weinbauern fiel das auf und er sagte, er wusste gar nicht, dass man in den 1920er Jahren bei ihm im Dorf schon Rotwein produziert hat, das war für ihn eine völlig neue Erkenntnis.“

Kulturgeschichte aus ganz Europa

Rund 300 Topotheken gibt es momentan in Österreich, noch einmal 150 Topotheken hat Alexander Schatek aus anderen europäischen Ländern in sein Portal integriert. Sie alle lassen sich über die Topothek abrufen und können mit Schlagworten durchsucht werden. Momentan kann allerdings nur jede Topothek für sich durchsucht werden. Alexander Schatek strebt eine übergreifende Suchfunktion an. „Das Ziel sollte sein, dass man über eine Plattform möglichst viel Inhalte zu den unterschiedlichsten historischen Themen durchsuchen kann“, so Schatek. Die Topothek wird betrieben von ICARUS, dem Internationalen Zentrum für Archivforschung aus Wien.

Jeder und jede kann privates Material an die Topotheken beisteuern. Wer will, kann seine Dokumente dabei auf „privat“ stellen oder sie nur für bestimmte Gruppen, zum Beispiel für die eigene Familie, zugänglich machen.