Bill Gates bei einer Veranstaltung
AFP/MONEY SHARMA
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Gesellschaft

Milliardäre werden bewundert, „die Reichen“ gehasst

Mit mehr als 130 Milliarden US-Dollar zählt Bill Gates zu den reichsten Menschen der Welt. Sogar er selbst findet, dass er für seine Leistungen unverhältnismäßig belohnt wurde. Wie eine US-Studie verdeutlicht, wird er von vielen respektiert und bewundert, obwohl sie „die Reichen“ eigentlich hassen.

Die Ungleichheit zwischen Topverdienern und Einkommensschwachen hat in den vergangenen Jahrzehnten fast überall zugenommen. Und während die CoV-Pandemie weltweit zu massiven wirtschaftlichen Einbrüchen führte und für manche Menschen zur existenziellen Bedrohung wurde, wuchs das Vermögen von manchen Superreichen noch weiter an, und zwar deutlich. Allein 2020 wurden US-Milliardäre – darunter etwa Jeff Bezos, Elon Musk und Bill Gates – insgesamt um eine Billion US-Dollar reicher.

Vermögens- oder Erbschaftssteuern – wie sie etwa Bill Gates selbst fordert – könnte das Auseinanderklaffen der Schere zumindest abdämpfen, dennoch gibt es in der Öffentlichkeit keinen breiten Zuspruch für Maßnahmen wie diese. Womöglich habe das auch mit der öffentlichen Wahrnehmung individueller Erfolgsgeschichten von Gates und Co. zu tun, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Jesse Walker von der Ohio State University in ihrer soeben im Fachjournal „PNAS“ erschienenen Studie.

Ihre These: Für viele Menschen sei Ungleichheit akzeptabel, wenn es um eine konkrete Person geht. Ein erfolgreicher Unternehmer, Sportler oder Filmstar hat sein Vermögen in ihren Augen gewissermaßen verdient – durch Begabung, Kreativität und Anstrengung, obwohl die Unsummen eigentlich durch nichts zu rechtfertigen seien. Ein ähnliches Phänomen gebe es auch in anderen Bereichen: Das Individuum ist beliebter als die Gruppe, zu der es zählt.

Großzügig zu Individuen

In insgesamt acht Einzelstudien haben Walker und Co. untersucht, ob sich eine derartige ambivalente Wahrnehmung von einzelnen reichen Individuen und dem Kollektiv der Reichen tatsächlich nachweisen lässt. Eine der Untersuchungen zeigte beispielsweise, dass die gut 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wieviel mehr ein Firmenchef im Vergleich zu seinen Angestellten verdienen darf – je nachdem welche Informationen sie zuvor erhalten hatten.

Eine Gruppe hatte gelesen, dass die Geschäftsführer der 350 größten US-Unternehmen 1995 48-mal so viel verdient haben wie ein durchschnittlicher Angestellter, heute sei es 372-mal so viel. Die andere Gruppe erfuhr stattdessen Genaueres über ein bestimmtes (fiktives) Unternehmen namens Avnet und seinen Geschäftsführer, Robert Eisen. Sein Einkommen habe sich seit 1995 um dieselbe Größenordnung vervielfacht. Dass die Chefs für den Erfolg von Avnet verantwortlich sind, ließ man beide Gruppen wissen. Aber nur die zweite hielt es für gerechtfertigt, dass Eisen um so viel mehr verdient als seine Mitarbeiter.

Jeff Bezos auf einer Bühne
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Jeff Bezos, der aktuell reichste Mann der Welt

„Wir scheinen etwas großzügiger zu sein, wenn es um einen bestimmten CEO als um Chefs im Allgemeinen geht“, meint Walker dazu in einer Aussendung. Die Art und Weise, wie Reiche und Superreiche in der Öffentlichkeit dargestellt und gelobt werden, könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, wie sehr Menschen wirtschaftliche Ungerechtigkeiten akzeptieren.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen weitere Teiluntersuchungen, bei denen es unter anderem um einzelne erfolgreiche Sportlerstars wie Roger Federer im Vergleich zu ganzen Teams wie das Baseballteam der New York Yankees ging. Den Einzelstars vergönnten die Teilnehmer ihr enormes Trainingsbudget eher, bei Mannschaften erzeugte ein solches oft einen eher unangenehmen Beigeschmack.

Mediale Aufmerksamkeit

Welche wichtige Rolle die Medien bei allem spielen, verdeutlicht eine andere Teilstudie. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde dabei ein Titel des „Forbes“-Magazin gezeigt. Abgebildet waren die reichsten Menschen der Welt. Das Bild wurde aber manipuliert: Die bekanntesten fünf Gesichter, wie z.B. Bill Gates und Oprah Winfrey, wurden für eine Testgruppe eliminiert. Übrig blieben sieben weniger bekannte Gesichter. Der zweiten Gruppe wurde ein Cover mit nur einem der sieben gezeigt. Dazu erhielten alle eine kurze Beschreibung des einen oder der sieben Superreichen.

Anschließend sollten die Probanden ein paar Sätze formulieren, die beschreiben, ob die Abgebildeten ihren Reichtum verdienen. Das Resultat war laut Walker erstaunlich. Jene, die über eine einzige Person schreiben mussten, waren weitaus weniger zornig als die andere Gruppe. Sie waren mehrheitlich der Ansicht, dass Talent und harte Arbeit zum Reichtum der Person geführt haben. Dieser Unterschied spiegelte sich auch in der ebenfalls abgefragten politischen Haltung: Menschen, die sieben Milliardäre auf dem Cover gesehen haben, waren häufiger für eine Erbschaftssteuer. „Wie wir an die allerreichsten Leute denken – als eine Gruppe oder als Individuum – scheint sogar unsere politischen Präferenzen zu beeinflussen“, so Walker.

Wenn man Menschen erreichen oder von etwas überzeugen möchte, ist es in der Regel ratsam, möglichst konkret zu sein und Geschichten über einzelne Menschen zu erzählen. Wenn es um gerechtere Verteilung von Reichtum geht, scheint das Gegenteil der Fall zu sein, schließen Walker und Co. aus den Ergebnissen. Sie plädieren dafür, möglichst abstrakt über die reichste Bevölkerungsschicht zu sprechen, wenn man Menschen von Umverteilung überzeugen möchte.