Anatomie

Geburtskanal erschwert Geburten, aber schont Beckenboden

Leicht haben es Mutter und Kind bei der Geburt bei vielen Tieren nicht, besonders schwer ist sie aber beim Menschen. Wiener Biologen haben nun eine neue Erklärung, warum sich bei unserer Spezies ein verdrehter Geburtskanal durchgesetzt hat: Die anatomische Besonderheit schont den Beckenboden und fördert die aufrechte Haltung.

Vergleicht man Größe und Gewicht von Neugeborenen bei Menschen und anderen Primaten, zeigen sich deutliche Unterschiede. Vor allem der Kopf des menschlichen Fötus ist im Verhältnis zur Größe des Geburtskanals groß. Warum die natürliche Selektion den dadurch drohenden Problemen bei der Niederkunft nicht durch eine Verbreiterung des Beckens und des Geburtskanals entgegengewirkt hat, ist eine große Frage. Lange Zeit wurde vermutet, dass ein schmales Becken vorteilhaft für die Fortbewegung auf zwei Beinen ist und die Evolution in Richtung eines größeren Beckens verhindert.

Das Team um Ekaterina Stansfield von der Universität Wien, vom Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung in Klosterneuburg und von der Universität Porto verfolgt die Idee, dass die stützende Funktion der Beckenbodenmuskulatur einen Einfluss auf die Entwicklung des Geburtskanals hat. Der aus mehreren Schichten Muskeln, Bändern und Bindegewebe bestehende menschliche Beckenboden spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der inneren Organe und beim Halten eines schweren Fötus während der Schwangerschaft. Außerdem ist er wichtig für das Zurückhalten von Harn und Stuhl.

Notwendige Drehung

Im Gegensatz zu Primaten ist der Geburtskanal beim Menschen nochmals schwieriger zu passieren. Der obere Teil ist nämlich bei den meisten Frauen rund oder oval, wobei der Durchmesser von links nach rechts breiter ist als von vorne nach hinten (queroval). Das ändert sich jedoch am Weg zum Ausgang, wo sich der Kanal umgekehrt längsoval präsentiert. Um diese Bereiche mit dem großen Kopf zu passieren, muss sich das Baby dementsprechend drehen.

Im Fachjournal „BMC Biology“ zeigt das Team nun, dass die längsovale Form des unteren Geburtskanals der Stabilität des Beckenbodens zuträglich ist, heißt es in einer Aussendung der Uni Wien. Evolutionär gesehen scheint dies die Nachteile der komplexen Geburt zumindest teilweise aufzuwiegen, denn runde oder querovale Kanalenden erhöhten in den Simulationen die Belastungen.

„Dieses Ergebnis hat uns anschließend zur Frage veranlasst, warum nicht auch der Beckeneingang beim Menschen längsoval ist“, so die Studien-Koautorin Barbara Fischer. Das liegt laut den Forschern eher daran, dass durch unsere aufrechte Haltung wenig Platz für eine solche Ausrichtung weiter oben im Becken ist.