Erntemaschine im Sonnenuntergang
APA/ZB/Patrick Pleul
APA/ZB/Patrick Pleul

Prognose: Ernteerträge früher und stärker betroffen

Die Klimaerwärmung wird sich früher auf die weltweite Produktion von Nahrungsmitteln auswirken als bisher gedacht: Das zeigen neue Modellberechnungen, denen zufolge sich die Ernteerträge vor allem von Mais bereits ab 2030 deutlich verringern werden. Weizen wird hingegen mehr Ertrag bringen.

Bereits jetzt beeinflusst der Klimawandel die globale Landwirtschaft – durch höhere Extrem- und Durchschnittstemperaturen, veränderte Regenmengen, häufigere und intensivere Dürre- und Trockenheitsphasen und die höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Die Prognosen für die kommenden Jahrzehnte waren bisher mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Denn infolge der Veränderungen des Klimasystems werden heute wichtige Anbauregionen weniger günstige Wachstumsbedingungen für die Pflanzen bieten. Andere Regionen – vor allem in höheren Breiten – könnten durch den Klimawandel überhaupt erst als geeignete Flächen infrage kommen. Zudem reagieren verschiedene Nutzpflanzen unterschiedlich auf den CO2-Düngungseffekt – mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre könnte zu schnellerem Pflanzenwachstum führen.

Deutliches Minus bei Mais

Für die nun im Fachblatt „Nature Foods“ erschienenen neuen Prognosen untersuchte ein Team um Jonas Jägermayr vom NASA Goddard Institute for Space Studies in New York vier sehr wichtige Kulturpflanzen: Mais, Weizen, Sojabohnen und Reis. Die Fachleute kombinierten das Agricultural Intercomparison Model erstmals mit der neuesten Generation moderner Klimamodelle (CMIP6) und verringerten so die bestehenden Unsicherheiten aus den Berechnungen auf Basis älterer Klimamodelle.

Ihre Einschätzungen fallen vor allem für die weltweit wichtigste Nutzpflanze – den Mais – niedriger aus als in früheren Berechnungen. Für den Zeitraum 2069 bis 2099 rechnen die Forscher bei einem eher optimistischen Szenario zur Erderwärmung (SSP126), das einen Temperaturanstieg zwischen 1,3 und 2,4 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts annimmt, mit einem Ernteminus von sechs Prozent gegenüber dem Zeitraum 1983 bis 2013. In früheren Berechnungen kamen Fachleute noch auf ein Plus von um die fünf Prozent.

Weniger Zeit für Anpassung

Im deutlich pessimistischeren Szenario (SSP585), mit einem Temperaturanstieg von 3,3 bis 5,7 Grad Celsius, ist laut der Untersuchung mit einem Minus von 24 Prozent zu rechnen. In früheren Prognosen kam man hier noch auf ein winziges Plus beim Mais. „Ein 20-prozentiger Abfall gegenüber der aktuellen Produktionsmenge könnte große Auswirkungen weltweit haben“, so Jägermayr in einer Aussendung.

Diese Entwicklung fällt nicht nur deutlicher als in bisherigen Berechnungen aus, sie kommt auch früher. Spürbar wird sie demnach schon relativ bald nach dem Jahr 2030. Das lasse den Schluss zu, dass noch weniger Zeit als eigentlich gedacht bleibt, um Anbausysteme an den Klimawandel anzupassen, so Christian Folberth, Koautor der Studie vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien (NÖ).

Mehr Erträge bei Weizen

Anders präsentiert sich die Situation beim Weizen, wo sich die neuen Prognosen optimistischer präsentieren: Hatten frühere Berechnungen noch ein Plus von rund zehn Prozent im SSP585-Szenario ergeben, steigt dieser Wert auf 18 Prozent. In der günstigeren Temperaturannahme steigt die Prognose von plus fünf auf plus neun Prozent, schreibt das Team. Beim Weizen gehen die Produktionsmengen in etwa bis Mitte des Jahrhunderts hinauf, könnten dann aber auch wieder zurückgehen.

Deutlich nach unten revidieren die neuen Berechnungen die Prognosen für Sojabohnen und Reis unter der pessimistischen Klimaannahme. Bei Soja sank der Wert von einem Plus von rund 15 auf ein Minus von zwei Prozent. Von dem angenommenen Zuwachs bei Reis von ungefähr 23 Prozent bleibt nur ein dünnes Plus von zwei Prozent.

Große Schwankungsbreiten

Bei all den Angaben gebe es jedoch auch große Schwankungsbreiten, heißt es in der Arbeit. Klarer geworden seien aber vor allem die Abschätzungen zu den Entwicklungen bei Mais und Weizen. Die Maisernte werde am Ende des Jahrhunderts in fast allen Regionen der Erde weniger ergiebig. Beim Weizenanbau könnten vor allem in der nördlichen Hemisphäre Erträge vielerorts steigen.

Auch wenn derart langfristige Ernteprognosen weiter mit großen Unsicherheiten behaftet sind, „weisen die Resultate darauf hin, dass in wichtigen Kornkammern schon früher als angenommen deutliche menschengemachte Veränderungen spürbar werden“, heißt es in der Arbeit. Angesichts dessen, wie vernetzt die heutige Welt und ihre Lieferketten sind, können Auswirkungen in einer Region mitunter weit ausstrahlen, betonte Jägermayr.

Neue Züchtungsmethoden

Priorität Nummer eins sei es nun, die Klimaerwärmung so gut es noch geht aufzuhalten, meint der nicht an der Studie beteiligte Agrarökonom Matin Qaim von der Universität Bonn. „Gleichzeitig müssen wir aber auch rasch Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft entwickeln und umsetzen. Das bedeutet vor allem, vielfältigere Produktionssysteme, auch unter Berücksichtigung neuer beziehungsweise bisher vernachlässigter Kulturarten. Neue Züchtungsmethoden – wie die Genschere – können zudem helfen, Pflanzen gezielt und schnell widerstandsfähiger gegen Hitze, Dürre und anderen Klimastress zu machen. Hier sollten wir weit verbreitete Vorurteile zügig überwinden, denn diese Technologien bieten großes Potenzial, zur Nachhaltigkeit und Resilienz in der Landwirtschaft beizutragen.“