Tropische Flügelschnecke (Conomurex persicus)
Jan Steger
Jan Steger
Biologie

Exoten verändern östliches Mittelmeer tiefgreifend

Tropische Arten verändern die Ökosysteme im östlichen Mittelmeer dramatisch. Durch den Sueskanal eingeschleppte Exoten aus dem Roten Meer gedeihen dort aufgrund immer wärmerer Wassertemperaturen prächtig – die Folgen sind laut einer neuen Studie kaum abschätzbar.

Die neuen Arten verdrängen dabei nicht durch direkte Konkurrenz einheimische Arten, sondern besetzen vielmehr freie Nischen, berichtet ein internationales Forscherteam um Jan Steger vom Institut für Paläontologie der Universität Wien im Fachjournal „Global Ecology and Biogeography“.

Austausch von Arten durch Sueskanal

Seit Eröffnung des Sueskanals im Jahr 1869 kommt es zu einem Austausch von Lebewesen zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer. Vor allem tropische Arten vom Roten Meer wandern ins Mittelmeer, was die Wissenschaft als „Lessepssche Migration“ bezeichnet – benannt nach dem Erbauer des Kanals, dem französischen Diplomaten Ferdinand de Lesseps.

Dadurch – und durch den fortschreitenden Kollaps mediterraner Arten – verändern sich die Flachwasser-Ökosysteme in der Region den Forscherinnen und Forschern zufolge besonders tiefgreifend. Die Auswirkungen der Invasoren auf die ansässige Fauna und die Funktion der Ökosysteme lassen sich aber nur verstehen, wenn man ihre Eigenschaften wie Lebensweise oder Ernährung mit jenen der heimischen Fauna vergleicht. Das Problem dabei ist der lange Zeitraum des Prozesses.

Kalkschalen von Muscheln als natürliches Archiv

„Wir sehen heute das Ergebnis einer jahrzehntelangen massiven ökologischen Transformation, wussten aber nicht, wie dieses zustande gekommen ist“, erklärte der Paläontologe Paolo Albano, der ein vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt zu dem Thema geleitet hat, in einer Aussendung der Universität Wien. Um die Auswirkungen der „Lessepsschen Migration“ zu verstehen, haben sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf die Untersuchung von Weichtieren (Mollusken) wie Muscheln und Schnecken konzentriert.

Ihre artspezifischen Kalkschalen bleiben nach dem Tod der Tiere oft für Jahrzehnte bis Jahrtausende am Meeresboden erhalten. Sie bilden dort natürliche Archive, „die altersdatiert werden können, und eine Rekonstruktion der Artenzusammensetzung vor Öffnung des Suez Kanals bzw. aus frühen Phasen der Invasion erlauben“, so Steger. Der geografische Fokus der Studie lag dabei auf der Mittelmeerküste Israels, einer der Regionen mit den meisten eingeschleppten Arten.

Mit Erwärmung das gesamte Mittelmeer betroffen

Die Forscherinnen und Forscher entnahmen in dieser Region Proben und analysierten sowohl die dort lebenden Weichtiergemeinschaften als auch am Meeresboden abgelagerte Schalenreste. Sie konnten dabei funktionelle Unterschiede zwischen den einheimischen und tropischen Arten seit Beginn der Invasion nachweisen. „Das legt nahe, dass das fortschreitende Verschwinden einheimischer Arten wohl nicht primär auf direkte biologische Konkurrenz zurückzuführen ist“, so Steger. Es bedeute aber auch, dass die heutigen, von tropischen Arten dominierten Lebensgemeinschaften sich funktionell stark von jenen der Vergangenheit unterscheiden.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Veränderungen der Fauna durch die zunehmende Erwärmung des Wassers und den weiteren Ausbau des Sueskanals regional immer weitreichender werden und in Zukunft auch andere Sektoren des Mittelmeers erfassen könnten. Dies sei nur durch konsequenten Klimaschutz zu verhindern, „denn es ist vor allem die fortschreitende Erwärmung, die den einheimischen Arten zum Verhängnis wird, während sie gleichzeitig die Ausbreitung tropischer Arten begünstigt“, so Albano.