Kohlekraftwerk in Bulgarien
AFP – NIKOLAY DOYCHINOV
AFP – NIKOLAY DOYCHINOV
Klimaerwärmung

„Unter zwei Grad plus ist weiter möglich“

Maximal zwei Grad mehr bis 2100, keine Schreckensszenarien von vier Grad plus und mehr: Das ist möglich – wenn die Zusagen vieler Länder, ihre CO2-Emissionen in Richtung null zu drücken, umgesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, in der die überarbeiteten Pariser Klimaziele untersucht wurden.

„Die Berechnungen zeigen, dass sich das Zweigradziel noch ausgeht – und das ist sehr positiv“, sagt Niklas Höhne, einer der Studienautoren und Klimaforscher am NewClimate Institute, gegenüber science.ORF.at: „Voraussetzung ist aber, dass die Staaten ihre Zusagen sehr ambitioniert umsetzen – ansonsten ist das alles nur heiße Luft.“

Zusagen zu Netto-null-Emissionen

Wenigstens 33 Länder haben sich zu längerfristigen Strategien zur CO2-Reduktion bekannt, schreiben die Forscherinnen und Forscher in der soeben im Fachmagazin „Science“ erschienenen Studie. Außerdem haben sich 52 Länder oder Staatenbünde, die zusammen für 54 Prozent des weltweiten Ausstoßes verantwortlich sind, wenigstens zu Netto-null-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts bekannt.

Das heißt, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden dürfen, als anderswo kompensiert werden. Das Pariser Abkommen von 2015 sieht vor, dass die Klimastrategien alle fünf Jahre überarbeitet werden. Nach der Coronavirus-Zwangspause im vergangenen Jahr wurden nun zur UNO-Klimakonferenz 2021 in Glasgow (COP26) neue Ziele gesteckt. Die dort verkündeteten Vorhaben gehen zum Teil über die in der aktuellen Studie zugrunde gelegten hinaus, erklärt Höhne.

USA und EU bis 2050 klimaneutral, China bis 2060

Schon länger bekannt ist, dass die Europäische Union bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase als im Vergleichsjahr 1990 ausstoßen und bis 2050 klimaneutral werden will. China, der größte CO2-Produzent, möchte bis 2060 klimaneutral sein, die USA als zweitgrößter CO2-Emittent bis 2050. Dazu kommt eine Vielzahl weiterer Länder, die sich verschiedenste nationale Ziele gesetzt haben oder das tun wollen.

Auch wenn derartige Aussagen den Studienautorinnen und -autoren zufolge schwer miteinander vergleichbar und wenig konkret seien: Wenn die Strategien ambitioniert umgesetzt werden, sei eine maximale Erderwärmung um zwei Grad bis 2100 wahrscheinlich, desaströse vier Grad plus so gut wie ausgeschlossen, lautet ihr Resümee.

Grafik zu den Szenarien
Science, 4.11.21, Yang Ou1 et al
Die fünf Entwicklungspfade auf Basis der „NDCs“ (Klimazusagen der Staaten)

Bei Nichtstun droht ein Plus von vier Grad

Das Team hat fünf verschiedene Szenarien zur Umsetzung oder Nichtumsetzung der Reduktion durchgerechnet. Dabei wurden Effekte wie die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Krise, technologische Fortschritte in Photovoltaik, Elektromobilität und erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen wie Aufforstungen und das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre einbezogen.

Klar wurde: Werden keine Reduktionsmaßnahmen getroffen, werden wir bis zum Ende des Jahrhunderts mit mehr als 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Erwärmung von drei Grad und mehr erleben. Das Erreichen wenigstens des Zweigradzieles ist hier ausgeschlossen.

Gesteckte Ziele für Begrenzung auf zwei Grad geeignet

Wenn lediglich die bisherigen Pariser Klimaziele ambitioniert umgesetzt würden, gingen die Emissionen nach 2030 zumindest um zwei Prozent pro Jahr zurück. Die Chance, dass die Erwärmung zwischen 1,5 und zwei Grad ausfällt, liege dann zumindest bei knapp unter zehn Prozent. Am wahrscheinlichsten sei jedoch ein Plus von zwei bis drei Grad. Auch die Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenarien in Richtung vier Grad und darüber lägen noch bei etwas über 20 Prozent.

Ausgetrocknete Zweige eines Baumes vor der Sonne
APA/Harald Schneider
Verdorrender Planet: „Worten müssen Taten folgen“

Werden die jüngsten Zusagen herangezogen, sehe es unter der Annahme, dass viele Länder bis zur Mitte des Jahrhunderts Netto-null-Emissionen wahr machten, besser aus. In diesem Szenario sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts auf über vier Grad steigen, „nahezu eliminiert“, heißt es in der Publikation. Ein Anstieg von 1,5 bis zwei Grad habe dann eine Wahrscheinlichkeit von 34 Prozent. Am ehesten lande man bei einem Plus zwischen zwei und drei Grad.

Emissionen steigen wieder, Höchstwert für 2022 erwartet

Würden also die ambitionierteren Bekenntnisse umgesetzt, falle die Klimaprognose deutlich besser aus als bei der Einhaltung der Zugeständnisse des Pariser Abkommens. Um diese in der Studie skizzierten längerfristigen Vorteile für das Klima auch einfahren zu können, „müssen aber Worten auch Taten folgen“, so die Fachleute. Derzeit läuft der Trend allerdings in die entgegensetzte Richtung. CO2-Emissionen haben das Vor-Krisen-Niveau wieder fast erreicht, für 2022 wird sogar mit einem neuen Negativrekord gerechnet.