Teilnehmer einer Videokonferenz in verschiedenen Kasteln auf einem Bildschirm
AFP – THOMAS SAMSON
AFP – THOMAS SAMSON
Zoom Fatigue

Warum Videokonferenzen müde machen

Mit der Pandemie haben sich Videokonferenzen sprunghaft erweitert – und damit auch die Erfahrung, dass sie Konzentrationsprobleme, Kopfweh und Verspannungen bereiten können. Die Ursachen für die „Zoom Fatigue“ sind laut Fachleuten vielfältig – und Frauen oft stärker betroffen als Männer.

Videokonferenzen machen schnell müde und fahrig, das haben viele seit der Pandemie am eigenen Leib erfahren. Fachleute haben diesem Phänomen einen Namen gegeben: Zoom Fatigue, benannt nach der Kommunikationsapp Zoom und dem französischen „fatigue“ für Müdigkeit.

Dass wir schneller ermüden, wenn wir online kommunizieren, ist wissenschaftlich gut erklärbar, meint der Wirtschaftsinformatiker René Riedl von der Johannes Kepler Universität Linz. Denn digitales Miteinander ist keinesfalls mit echtem Zusammensein zu vergleichen. So sind die Bewegungen des Gegenübers verzögert, oft ohne dass uns das wirklich bewusst wird.

Verzögerte Wahrnehmung

„Die Forschung zeigt, dass alles, was 0,2 Sekunden zeitverzögert ist, bereits von unserem Gehirn als Verzögerung wahrgenommen wird“, so René Riedl. Auch wenn es auf einer Videokonferenz bei guter Internetqualität so wirken mag, als würde man in Echtzeit kommunizieren oder gar physisch nebeneinandersitzen, ist das Gehirn schwer beschäftigt. Denn es ist evolutionsbiologisch auf die direkte, also synchrone Kommunikation programmiert. Die digitale Kommunikation nimmt das Gehirn als asynchron wahr. Es versucht, die minimale Verzögerung auszugleichen, leistet damit erhebliche kognitive Mehrarbeit. Das ist anstrengend und führt schnell zu geistiger Erschöpfung, zu Verspannung oder Kopfweh.

Augenkontakt fehlt

Auch die fehlende Körpersprache ist Mehrarbeit für das Gehirn, auch hier versucht es, die mangelnden Informationen über Gestik und Mimik zu kompensieren. Ganz besonders der echte Augenkontakt macht dem Gehirn zu schaffen, erklärt René Riedl. Der Blick in die Augen ist eine wichtige Koordination in der menschlichen Interaktion. Bei einer Videokonferenz kommt aber kein wirklicher Augenkontakt zustande. Die Folge sind Koordinationsprobleme, die das Gehirn ausgleichen muss. „Das führt dann alles zusammen zu diesem körperlichen Zustand des Zoom Fatigue“, meint René Riedl.

Frauen leiden mehr als Männer

Langzeitstudien gibt es zu Zoom Fatigue noch keine, denn erforscht wird das Phänomen es erst seit zirka anderthalb Jahren, also seit der Pandemie. Eine Studie der US-amerikanischen Stanford Universität aus diesem Jahr zeigt, dass speziell Frauen betroffen sind. Als Grund führen die Wissenschaftlerinnen an, dass man sich während einer Videokonferenz permanent beobachtet fühlt. Das wiederum rufe bei Frauen mehr Stress hervor als bei Männern.

Das Gefühl, den Blicken anderer ausgeliefert zu sein, betreffe aber grundsätzlich alle, so Riedl. Er hat die Forschungsstand zu Zoom Fatigue aus Psychologie und Neurowissenschaft zusammengefasst und kommt zu dem Schluss: Wenn wir auf unserem Bildschirm die vielen Gesichter in den kleinen Kästchen scheinbar auf uns gerichtet sehen, möchten wir evolutionsbiologisch gesehen am liebsten weglaufen.

„Das ist evolutionär in uns angelegt, weil über weite Zeiträume in unserer evolutionären Entwicklung es im Regelfall eine ungünstige Situation war, wenn wir länger als zwei bis drei Sekunden von jemandem fixiert wurden, weil wir typischerweise dann angegriffen wurden,“ so René Riedl.

Video verleitet zu Multitasking

Ein weiter Aspekt ist, dass viele Menschen während einer Videokonferenz oft auch andere Programme offen haben und nur mit einem Ohr bei der Konferenz sind, während sie im Internet surfen oder Soziale Medien konsumieren.

Dieses digitale Multitasking ist ebenfalls sehr erschöpfend, meint René Riedl. Verschiedenste Forschungsbefunde zeigen laut Riedl, dass dabei der Sympathikus aktiviert wird, ein bestimmter Teil des autonomen Nervensystems. „Dessen Aktivierung führt zu Blutdruckanstieg, sowie dem Anstieg der Herzschlagrate und anderen Symptomen. Das heißt, da gibt es neben den psychologischen auch ganz klare physiologische Begleiterscheinungen, die sich dauerhaft negativ auswirken können."

René Riedl empfiehlt, statt Video- öfter nur Audiokonferenzen zu machen und nach der Pandemie wieder mehr persönlich miteinander zu sprechen.