Ein Elektroauto beim Aufladen an einer E-Tankstelle
APA/HELMUT FOHRINGER
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Mobilität

Warum E-Autos nicht die Lösung sind

Der Umstieg von Benzin und Diesel auf Elektro soll die Autobranche klima- und umweltfreundlicher machen. Doch u. a. wegen des hohen Rohstoffverbrauchs bei der Herstellung von E-Autos bezweifeln das viele Expertinnen und Experten. Sie fordern eine Mobilitätswende statt einer reinen Antriebswende.

Der Automobilsektor sieht sich in den letzten Jahren mit massiver Kritik konfrontiert, trägt er doch wesentlich zur Klimaerwärmung bei. Auch in Österreich ist der Verkehr eines der größten Sorgenkinder der Klimapolitik: Seit dem Jahr 1990 sind die Emissionen in diesem Sektor um 75 Prozent gestiegen. Der wichtigste Treiber ist der Straßenverkehr. Autos haben ein massives Imageproblem – das zeigt sich auch an den aktuellen Auseinandersetzungen rund um die umstrittene Stadtautobahn im Norden Wiens.

Als Alternative zum klimaschädlichen Verbrennungsmotor wird nun der Umstieg auf Elektromotoren propagiert. Doch die beiden Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Mathias Krams von der Universität Wien gehen davon aus, dass es mit einer bloßen Antriebswende nicht getan sein wird: Denn auch Batterie- oder Brennstoffzellen-Autos verbrauchen massenhaft Platz, Ressourcen und Energie, verursachen Klimazerstörung und Feinstaub. Das Modell ‚Privatauto‘ sei global nicht verallgemeinerbar; an einer drastischen Reduzierung der Zahl der Autos führe kein Weg vorbei, so die beiden Forscher.

Rebound-Effekt macht Effizienzsteigerungen zunichte

Effizienzsteigerungen bei der Herstellung von Autos sowie beim Spritverbrauch werden durch das wachsende Verkehrsaufkommen zunichte gemacht. Der so genannte Rebound-Effekt schlägt zu: Damit werden in der Nachhaltigkeitsforschung Effekte bezeichnet, die dazu führen, dass Einsparpotenziale durch intensivere Nutzung wegfallen. Ein zweiter Faktor ist, dass der Trend bei Neuzulassungen klar in Richtung immer größerer, schwererer und stärkerer Autos geht.

SUVs oder Geländewagen gehören in Österreich zu den meistverkauften Autos. Im EU-Schnitt emittieren diese übergewichtigen Fahrzeuge zwischen 15 und 28 Prozent mehr CO2 als vergleichbare Modelle der Mittelklasse. SUVs wirken, wie Ulrich Brand in seinem Buch „Imperiale Lebensweise“ (Leseprobe) schreibt, „aufgrund ihrer materiellen Eigenschaften verstärkend auf jene von zunehmender Konkurrenz und Rücksichtslosigkeit geprägten sozialen Verhältnisse zurück, deren Produkt sie sind“.

Verstärkte Rohstoffausbeutung

Mathias Krams gibt außerdem zu bedenken: „Der ökologische und soziale Fußabdruck der Autonutzung bemisst sich nicht nur am Energieverbrauch beim Fahren. Er schließt auch den gesamten Herstellungsprozess sowie die ökologischen Auswirkungen des Ressourcenabbaus, damit verknüpfte Konflikte und die Arbeitsbedingungen, unter denen dieser stattfindet, mit ein. Hier zeigt sich: Beim notwendigen Umstieg auf E-Autos steigt der Ressourcenverbrauch im Vergleich zu Verbrennern nochmals an, weshalb ein sozial-ökologischer Umbau des Mobilitätssektors zwingend mit einer deutlichen Reduktion von Autoproduktion und -nutzung einhergehen muss.“ Die für die Produktion von E-Autos notwendige Ausbeutung von Eisenerz aus Südafrika, Kobalt und Kupfer aus dem Kongo oder Lithium aus den Anden würde sich potenzieren (siehe Misereor-Studie “Weniger Autos, mehr Gerechtigkeit).

Wissen der Beschäftigten nutzen

Fest steht, dass die Mobilitätswende auf keinen Fall auf Kosten der Arbeiter und Arbeiterinnen von statten gehen soll. Ulrich Brand leitete in den letzten Jahren das vom österreichischen Klima- und Energiefonds finanzierte Forschungsprojekt “Con Labour“, das sich mit den Möglichkeiten und Hindernissen für einen sozial-ökologische Umbau der österreichischen Automobilindustrie auseinandersetzte.

Ö1 Sendungshinweis:

Mobilitätswende statt Antriebswende: Warum E-Autos für den Verkehr der Zukunft keine Lösung sind, Ö1 Dimensionen, 8.11, 19.05 Uhr

„Eine zentrale Erkenntnis des Projekts besteht darin, dass Transformationspotential vor allem darin liegt, das Wissen und die Kompetenzen der Beschäftigten stärker in den Transformationsprozess mit einzubeziehen“, so Brand. „So wurden im ehemaligen MAN-Werk in Steyr bereits Elektro-LKWs produziert, wenn auch in kleiner Stückzahl. Bei BMW sagte ein Vertreter selbstbewusst, dass die Beschäftigten ’aus Scheiße Butter machen´, also viele Ideen für alternative Produkte haben, wenn man sie nur an der Planung beteiligt.“

Straßenbahnen, Züge und Busse statt Autos

Wo heute noch Autos hergestellt werden, könnten auch Straßenbahnen, Regional- und Fernzüge, Elektro-Busse und Lastenräder vom Fließband rollen. Elektroautos werden zwar in Zukunft mit Sicherheit gebraucht werden, aber die Gesamtanzahl an Autos müsse deutlich sinken, meint Mathias Krams. Er streicht außerdem die zentrale Bedeutung von verstärkten Investitionen in nachhaltige Mobilitätsinfrastruktur heraus: „Der Beschäftigungseffekt von Investitionen etwa in Schieneninfrastruktur und Radwege liegt deutlich über dem von Investitionen in Straßen. Das heißt mit dem gleichen Geld können bei dem richtigen Einsatz mehr Arbeitsplätze geschaffen und damit zugleich eine nachhaltige Mobilitätswende vorangebracht werden.“