Kohlekraftwerk Mehrum und Windräder in Deutschland
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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COP26

„Wichtiger Schritt, aber nicht genug“

Als „historischen Kompromiss“ wertet EU-Kommissar Frans Timmermans die Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz. Die Formulierung wurde am Ende zwar abgeschwächt, aber erstmals gebe es einen Konsens zum Kohleausstieg. Auch Klimafachleute sind mit den Verhandlungsergebnisse nicht unzufrieden. Es müsse aber noch vieles nachgeschärft werden und vor allem den Worten Taten folgen.

Statt eines ganzheitlichen Kohleausstiegs wird nun gefordert, den Ausstieg schrittweise einzuleiten. Außerdem bekennen sich in der Abschlusserklärung 200 Länder klar zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen – und nicht nur auf unter zwei Grad, wie es im Pariser Abkommen von 2015 heißt. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre derzeit unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen.

Zudem wurde festgehalten, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit in den 20er Jahren um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit erreicht werden soll. Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können.

Vielleicht „befriedigend“

"Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug“, so der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres zur Abschlusserklärung. Diese gemischten Gefühle spiegeln sich auch in den Reaktionen zahlreicher Klimaexperten und -expertinnen. „Glasgow war der erste große Test des Pariser Abkommens. Der wurde bestanden. Sicherlich nicht mit Bestnote, auch nicht ‚gut‘, aber – je nach Perspektive – vielleicht ‚befriedigend‘“, meint etwa Carl-Friedrich Schleussner Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen bei Climate Analytics in Berlin gegenüber dem deutschen „Science Media Center“.

So hätten sich etwa die Hauptverursacher der globalen Emissionen ein Null-Emissions-Ziel für die Mitte des Jahrhunderts gesetzt. Das sei ein Erfolg. Gleichzeitig gebe es große Lücken bei den Zielen für 2030. „Zudem klafft zwischen den Versprechungen von Null-Emissionen bis 2050 und den konkreten Handlungen im Hier und Jetzt eine große Glaubwürdigkeitslücke. Die muss dringend geschlossen werden“, betont Schleussner. „Ob Glasgow ein Erfolg sein wird, hängt entscheidend davon ab, ob dies mehr als nur warme Worte sind.“

Hoffnung und Sorge

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Joeri Rogelj vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) im niederösterreichischen Laxenburg: „Die COP26 hat eine historische Leistung erbracht und ist gleichzeitig hinter den Hoffnungen und Erwartungen vieler zurückgeblieben. Wenn ich als Wissenschaftler und Bürger dieses Planeten darüber nachdenke, sehe ich Gründe, stolz zu sein, hoffnungsvoll zu sein und tief besorgt zu sein.“

Mit den erneuerten und verstärkten Zusagen für die nationalen Beiträge sei nun der Temperaturanstieg deutlich niedriger angesetzt, als noch vor einem Jahr von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschätzt – im besten Fall knapp unter zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau. „Dies ist eine enorme Leistung, aber noch nicht ausreichend für das 1,5-Grad-Ziel. Zudem müssen die Zusagen noch in Pläne und Maßnahmen umgesetzt werden“, meint Rogelj.

Emissionshandel, Wälder und Methan

Auch die Ergebnisse zum internationalen Emissionshandel seien gemischt zu beurteilen, erklärt Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut e.V. in Berlin. Er war Teil des EU-Verhandlungsteams in Glasgow: „Ein sehr wichtiges Ziel konnte erreicht werden: Alle Länder müssen ohne Ausnahme eine Doppelzählung von Emissionsminderungen vermeiden. Genau dagegen hatte sich Brasilien in den vergangenen Jahren mit Händen und Füßen gewehrt.“ Letztlich sei aber immer noch entscheidend, wie sehr sich die Länder in Zukunft an die neuen Regeln halten werden.

Bei den Initiativen zum Ende der Entwaldung bis 2030 sowie zur Reduktion von Methan um 30 Prozent bis 2030 – beide wurden von jeweils hundert Regierungsvertretern unterzeichnet – werde es am Ende ebenfalls darum gehen, was konkret in den Ländern umgesetzt werde, erklärt Anke Herold, Geschäftsführerin des Öko-Instituts e.V. in Berlin und Mitglied des deutschen Verhandlungsteams. Das gelte natürlich auch für den Kohleausstieg: „Kein internationales Abkommen der Welt kann eine unwillige Regierung dazu zwingen, den Ausstieg aus den fossilen Energien durchzusetzen. Diese Regierungen können auch künftig nur sinnbildlich an den Pranger gestellt werden.“

1,5-Grad-Ziel wiederbelebt

Laut Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln hat Glasgow immerhin das 1,5-Grad-Ziel wiederbelebt. „Es befindet sich jedoch immer noch auf der Intensivstation. Neue nationale Klimaziele und Initiativen haben uns einen kleinen Schritt vorangebracht. Aber mit diesem Tempo ist das 1,5-Grad-Ziel verloren“, betont Höhne. Man müsse jetzt sofort beginnen, die 2030er Klimaziele noch weiter zu stärken, denn: „Selbst mit allen neuen Vorschlägen von Glasgow sind die Emissionen im Jahr 2030 immer noch fast doppelt so hoch wie sie für das 1,5-Grad-Ziel sein sollten.“