Kind am Smartphone auf dem Sofa
APA/dpa/Tobias Hase
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Studie

Medien-Multitasking schadet Kindern

Über acht Stunden täglich verbringen Zwölfjährige im Durchschnitt vor mindestens einem Bildschirm, wie eine Umfrage an einer Schweizer Schule zeigt. Laut Forschern und Forscherinnen schadet es den Kindern, wenn sie dabei mehrere Medien zugleich konsumieren, Videospiele können hingegen sogar positive Effekte haben.

Ob Videos auf Streaming-Plattformen, Nachrichten auf sozialen Netzwerken oder Spiele auf dem Handy oder verschiedenen Konsolen – der Konsum digitaler Medien ist in den vergangenen Jahren schon aufgrund des gestiegenen Angebots deutlich gestiegen. Besonders eifrige Nutzer sind dabei Kinder, wie der Kognitionsforscher Pedro Cardoso-Leite mit einem Forscherteam aufzeigt. Er führte im Rahmen einer Studie eine Umfrage an einer Schweizer Schule durch, an der 118 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren teilnahmen. Die Ergebnisse der Untersuchung präsentieren die Forscherinnen und Forscher im Fachjournal „PLOS ONE“.

Über acht Stunden vor dem Bildschirm

„Wir haben die Altersgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen ausgewählt, weil dieses Alter einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung darstellt“, erklärt Cardoso-Leite gegenüber dem ORF. Demnach würden Kinder dann eine Phase der Identitäts- und Gefühlsentwicklung durchmachen, aber auch kognitive Fähigkeiten würden sich in diesem Alter stark entwickeln. „Außerdem ist es ein Alter, in dem Kinder oft zu einer selbstständigeren Nutzung der verschiedenen Medien übergehen“, ergänzt der Studienautor.

Im Rahmen der Umfrage sammelte das Forscherteam Daten zum täglichen Medienkonsum der Befragten aus der Schweizer Schule. Kinder im Alter von acht Jahren verbrachten jeden Tag im Durchschnitt knapp viereinhalb Stunden vor mindestens einem Bildschirm. Bei den Zwölfjährigen stieg die Dauer des Medienkonsums auf täglich über acht Stunden an. In weiteren Umfragen und Tests erhoben die Forscherinnen und Forscher außerdem Daten zu der Aufmerksamkeitsspanne, dem Verhalten der Kinder in der Schule, ihren Schlafgewohnheiten und zu ihrer mentalen Gesundheit.

Schlecht für die Psyche

Das Forscherteam konnte so unter anderem aufzeigen, dass Medien-Multitasking – also zum Beispiel das Hantieren mit dem Mobiltelefon, während man gerade vor dem Fernseher sitzt – mit dem fortschreitenden Alter der Befragten immer weiter zunahm. „Wir haben Hinweise darauf gefunden, dass Medien-Multitasking negative Effekte auf die Kinder haben kann“, erklärt Cardoso-Leite.

So hänge das zeitgleiche Nutzen mehrerer Medien laut der Umfrage unter anderem mit erhöhtem psychologischem Stress zusammen. Kinder, die besonders oft mehrere Medien zugleich konsumierten, hatten außerdem eher soziale und emotionale Probleme und konnten schlechter schlafen. Ihre Eltern und Lehrer gaben außerdem an, dass die Kinder oft Probleme mit dem Verhalten in der Schule und eine kurze Aufmerksamkeitsspanne hatten.

Cardoso-Leite hat mit seinem Team bisher nur die Zusammenhänge zwischen dem Medienkonsum und Aspekten wie der mentalen Gesundheit der Kinder untersucht, nicht aber die exakten Gründe für die negativen Auswirkungen. „Wir können momentan zum Beispiel nicht genau bestimmen, ob das Medien-Multitasking direkte Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Kinder hat, oder ob die Probleme doch eher durch den Schlafmangel entstehen, der durch den Medienkonsum hervorgerufen wird.“ Um genau zu klären, warum sich das Medien-Multitasking negativ auf das Verhalten und die Entwicklung von Kindern auswirkt, seien daher noch weitere Untersuchungen nötig.

Videospiele können Reaktionszeit verbessern

Während der zeitgleiche Konsum mehrerer Medien negative Auswirkungen auf die Kinder haben kann, sieht es bei Videospielen laut dem Kognitionsforscher ganz anders aus. „Wir konnten keine Zusammenhänge zwischen Videospielen und Probleme mit dem Schlaf oder der Aufmerksamkeitsspanne der Kinder feststellen“, erklärt der Kognitionsforscher, der ergänzt: „Im Gegenteil. Es sieht so aus, als hätten Videospiele eher positive Effekte auf die Kinder.“

Vor allem jene Kinder, die actionreiche Spiele konsumieren, hätten demnach oft eine bessere Reaktionsgeschwindigkeit und auch der mentale Stress könne sich durch das Spielen verringern. „Auch hier müssen noch weitere Untersuchungen geführt werden, um die Gründe für die positiven Auswirkungen von Videospielen exakt bestimmen zu können“, so Cardoso-Leite.

Der Kognitionsforscher erklärt: „Ich würde den Kindern raten, weniger Zeit vor mehreren Bildschirmen gleichzeitig zu verbringen. Außerdem sollte auch der Medienkonsum generell eingeschränkt werden.“ Cardoso-Leite rät Kindern aber trotzdem dazu, Videospiele zu spielen – solange die tägliche Zeit vor dem Bildschirm begrenzt ist.