Eine Frau steht mit geschlossenen Augen vor Bäumen und der Sonne, sie sieht glücklich aus
mavoimages – stock.adobe.com
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Klimaerwärmung

Klimaschutz steigert Lebensqualität

Klimaschutz bedeutet nicht Verzicht auf liebgewonnene Verhaltensweisen, sondern steigert die Lebensqualität. Das ist der Schluss einer neuen Studie, die riesige Mengen an Fachliteratur zu dem Thema durchforstet hat. In fast 80 Prozent aller Fälle würde sich Klimaschutz unmittelbar positiv auswirken – auf Luftqualität, Gesundheit und aufs Geldbörsel.

Ein Beispiel, für das es besonders viele Belege gibt, ist die Ernährung: „Wir essen zu viel und schmeißen zu viele Lebensmittel weg“, sagt Arnulf Gruebler, einer der Studienautoren, gegenüber science.ORF.at. „Wenn weniger Lebensmittel verschwendet werden, muss auch weniger produziert werden. Das ist gut für die Ökosysteme – es wird weniger Wasser und Dünger verwendet – und für das Wohlbefinden der Menschen“, so der Nachhaltigkeitsforscher vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Eine ausgewogene Diät mit weniger Kalorien und weniger Fleischkonsum verringere nicht nur Dickleibigkeit, sondern trage auch zum Klimaschutz bei.

Viele Vorteile, wenige Nachteile

Ein weiteres Beispiel betrifft die thermische Sanierung von Gebäuden. Auch sie hilft nicht nur dem Klima, sondern unmittelbar den Menschen. Gruebler über die Vorteile: „Erstens brauchen die Menschen in den sanierten Wohnungen weniger Heizenergie und sparen sich somit Geld. Zweitens leben sie dann in einer Wohnung, in der es nicht immer zieht. Und drittens werden Arbeitsplätze für die Sanierung geschaffen.“

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 26.11., 13:55 Uhr.

Auf anderer Stelle gehen freilich auch Arbeitsplätze verloren, etwa in der Kohleindustrie – aus Sicht der Betroffenen trägt dies verständlicherweise nicht zum Wohlbefinden bei. Sie gehören in die Kategorie der „negativen Auswirkungen“ des Klimaschutzes – laut Studie umfassen sie lediglich drei Prozent aller Maßnahmen. Für die soeben in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ erschienene Studie hat ein Team um Leila Niamir vom Klimaforschungsinstitut MCC in Berlin aus über 50.000 wissenschaftlichen Fachartikeln rund 600 relevante herausgefiltert und deren Aussagen systematisiert und bewertet. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Klimaschutz und Lebensqualität zusammenhängen und wie viele Treibhausgas-Emissionen sich durch bestimmte Verhaltensänderungen einsparen lassen.

Ergebnis: Der Effekt auf die Lebensqualität ist zu 79 Prozent positiv, zu 18 Prozent neutral und nur zu drei Prozent problematisch. Neben einer höheren Lebenserwartung bei einer mehr pflanzenbasierten Ernährung, geht es dabei etwa um die Luftqualität beim Ersatz von Kohle und Öl und um den sozialen Zusammenhalt in klimafreundlichen Städten. Die Analyse erfolgte aus einer weltumspannenden Perspektive, beteiligt waren Institute etwa aus Österreich, Mexiko, Indien, Australien, Japan und den USA.

Nachfrage ist nichts Fixes

Besonders an der Studie ist, dass sie sich der Nachfrageseite widmet – also dem konkreten Verhalten und den Wünschen der Menschen. Oft steht die Angebotsseite im Mittelpunkt, also etwa das Angebot an erneuerbarer Energie und energieeffizienter Produktion. „Mehr als 60 Prozent der emissionsmindernden Maßnahmen können nachfrageseitig gemacht werden“, sagt dazu der IIASA-Nachhaltigkeitsforscher Arnulf Gruebler. „Die restlichen 40 Prozent müssen angebotsseitig gemacht werden, etwa keine Kohle mehr und erneuerbare Energien im Stromverbrauch.“ Das wichtigste aber sei, dass die Dekarbonisierung der Wirtschaft rascher erfolgt, wenn die Nachfrage niedrig ist.

Diese Nachfrage sei nichts Fixes, sondern ein wirtschaftliches und soziales Konstrukt. „Wenn sich junge Menschen entscheiden, vegetarisch oder vegan zu leben, hat das nichts mit dem Markt zu tun, sondern das ist eine endogene Veränderung der Präferenzen und des Verhaltens“, so Gruebler. Gleiches gelte für das Auto: „In Stockholm haben nur noch zehn Prozent der Jugendlichen einen Führerschein. Das Statussymbol Auto hat bei ihnen ausgedient, und im städtischen Bereich gibt es genügend Alternativen.“

Politik muss Anreize schaffen

Trotz dieser Entwicklungen will die Studie mit der Vorstellung aufräumen, dass es bei nachfrageseitigen Klimalösungen letztlich auf den individuellen Klimaschutz aus eigenem Antrieb ankomme. „Die Politik ist hier genauso gefordert wie auf der Angebotsseite beim Ausbau der erneuerbaren Energien“, betont Felix Creutzig, MCC-Arbeitsgruppenleiter und ein weiterer Studienautor.

Es bedürfe starker Anreize, um das Verhalten von Menschen zu ändern, positiver wie auch negativer. CO2- oder andere Energiesteuern sind wenig akzeptiert, IIASA-Nachhaltigkeitsforscher Arnulf Gruebler wählt daher das Beispiel von Förderprogrammen für die thermische Sanierung von Gebäuden. Dem stünden zwar oft unterschiedliche Interessen von Vermietern und Mietern entgegen, aber dem könne man politisch begegnen. „In Kalifornien etwa muss ein Haus vor dem Verkauf auf ein minimales thermisches Sanierungslevel gebracht werden – sonst darf es gar nicht verkauft werden. Diese Regel ist ein starker Anreiz für eine Sanierung.“