Teller mit Essen (Eier, Salat, Nudeln), davor ein Wecker und ein Maßband
TATIANA/stock.adobe.com
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Faktencheck

Diäten auf dem Prüfstand

Nach den üppigen Feiertagen versuchen nun wieder viele, weniger zu essen und gesünder zu leben. Eine Möglichkeit: moderne Diäten, die nicht nur weniger Gewicht, sondern auch ein längeres Leben versprechen. Tierstudien belegen, dass das funktionieren kann. Die empirische Datenlage bei Menschen ist aber noch recht dünn, wie ein Forschungsüberblick zeigt.

Die „Anti-Aging-Revolution“, „Fünfzehn Jahre länger leben“ oder „Tag für Tag jünger“ – Buchtitel wie diese zeigen: „Anti-Aging“ boomt. Die meisten Anleitungen setzen auf Ernährung als Jungbrunnen. Für einen kürzlich im Fachjournal „Science“ erschienenen Überblick haben die Forscherinnen und Forscher um Matt Kaeberlein von der University of Washington populäre Diätformen einem Faktencheck auf Basis der verfügbaren wissenschaftliche Literatur unterzogen: Können bestimmte Ernährungsformen tatsächlich das Leben verlängern? Welche molekularbiologischen Zusammenhänge stecken hinter möglichen lebensverlängernden Effekten? Und gibt es auch unerwünschte Wirkungen?

Molekulare Basis unklar

Dass Fasten das Leben tatsächlich verlängern kann, wisse man seit dem 20. Jahrhundert, schreiben Kaeberlein und Co, vorausgesetzt die verringerte Kalorienzufuhr geht mit ausreichender Nährstoffversorgung einher. In den vergangenen 50 Jahren seien zahlreiche Studien dazu durchgeführt worden, mit Hefen, Würmern, Fruchtfliegen und vor allem mit Mäusen und Ratten. Bis zu 60 Prozent länger leben können etwa Nagetiere auf Reduktionskost.

Hinter dem Effekt dürften unterschiedliche molekularbiologische Mechanismen stecken, die ebenfalls bereits in Laborstudien und Tiermodellen untersucht wurden. Das könnte eines Tages auch zu Medikamenten führen, die dem Körper nur vorgaukeln, dass er auf Diät sei und so dieselbe Wirkung entfalten, schreiben die Autoren und Autorinnen. Mögliche Kandidaten für solche Diätpillen sind beispielsweise der sekundäre Pflanzenstoff Resveratrol, das Antidiabetesmittel Metformin und das als Wundermittel gehypte Rapamycin – das Stoffwechselprodukt eines Bodenbakteriums, das erstmals auf der Osterinsel entdeckt wurde.

In Mäusestudien hatten die Wirkstoffe zwar durchwegs positive Effekte, beispielsweise auf den Zuckerstoffwechsel und zur Krebsvorbeugung. Das Leben verlängern konnten sie allerdings nicht, schreiben die Fachleute. Bei Menschen seien bis dato ebenfalls keine überzeugenden Effekte nachgewiesen.

Zusammensetzung und Zeitplan

Da man auf die lebensverlängernde Pille wohl noch ein Weilchen wird warten müssen, empfehlen viele weiterhin Diäten als Jungbrunnen. Bei den meisten heute boomenden Ernährungstrends geht es nicht so sehr um die Kalorienreduktion an sich. Wichtig ist entweder die Zusammensetzung der Nährstoffe oder der Zeitpunkt, an dem man überhaupt Nahrung zu sich nehmen darf.

Momentan sehr beliebt – obwohl sehr extrem und im Alltag schwer umsetzbar – ist etwa die ketogene Diät. Dabei wird fast vollständig auf Kohlehydrate verzichtet, dafür nimmt man extrem viel Fett zu sich. Dadurch wird die sogenannte Ketose angestoßen – ein Stoffwechselzustand, der Fett anstelle von Glucose verarbeitet. Diese Ernährungsweise hilft erwiesenermaßen bei bestimmten Krankheiten, z.B. lässt sich dadurch die Anfallshäufigkeit bei manchen Epilepsieformen senken. Eine lebensverlängernde Wirkung wurde aber bisher nur in Tiermodellen – z.B. bei Mäusen – gezeigt, schreiben Kaeberlein und seine Koautoren.

Roastbeef mit Kartoffeln auf einem Teller
AP – Matthew Mead
Kein Hauptbestandteil lebensverlängernder Diäten

Trend Intervallfasten

Der zweite derzeit vielerorts propagierte Diättrend ist das Intervallfasten in all seinen Ausprägungen: Entweder wird täglich nur zu bestimmten Zeiten gegessen – das bedeutet beispielsweise 16 Stunden fasten und acht Stunden essen – oder generell nur jeden zweiten Tag. Es wird mitunter aber auch empfohlen, an ein paar Tagen der Woche einfach sehr wenig zu essen.

Wie die Forscher in ihrem Artikel schreiben, gibt es für eine lebensverlängernde Wirkung auch bei diesem Ernährungstrend in erster Linie Belege, die aus Tierstudien stammen. Die verfügbaren Daten legen zudem nahe, dass letztlich die Kalorienreduktion entscheidend ist. Denn durch die zeitlichen Einschränkungen werde in der Regel automatisch weniger gegessen. Eine der wenigen Studien mit Freiwilligen kam heuer sogar zum Schluss, dass eine „normale“ Diät für eine Gewichtsabnahme mehr bringt als nur jeden zweiten Tag zu essen, wenn beide Gruppen die gleiche Menge Kalorien zu sich nehmen.

Auch für weitere gängige Diätformen wie eine reduzierte Proteinzufuhr oder der Verzicht auf manche Aminosäuren gebe es bisher nur wenige Belege, die meisten stammen ebenfalls aus Tiermodellen, schreiben die Studienautoren.

Gesunde Gewichtsreduktion

Auf indirekte Weise könnten alle propagierten Diäten aber tatsächlich lebensverlängernd wirken – denn durch die eingeschränkte Nahrungsaufnahme verlieren die meisten Menschen auch Körpergewicht, so Kaeberlein und Co. Und dass vor allem übergewichtige Personen dadurch gesünder werden, könne man an Laborfunden ablesen; unter anderem sinke der Blutdruck und die Glukosetoleranz verbessere sich. Außerdem seien die meisten Diäten gesünder als die typische Kost in westlichen Industrieländern.

Ob die Diäten nicht nur indirekt, sondern auch an sich lebensverlängernd sind, ließe sich zurzeit nur sehr schwer untersuchen. Langzeitstudien mit laborähnlichen Bedingungen und Kontrollgruppen seien mit Menschen nur schwer durchführbar. Abgesehen davon gebe es noch keine biologischen Marker, die das Alter eindeutig messen, und daher vergleichbar wären.

Was man feststellen kann, sind lediglich Korrelationen. Dazu zählen etwa Beobachtungen an besonders alten Bevölkerungsgruppen: Ein Beispiel ist die japanische Insel Okinawa, auf der sehr viele Hochbetagte und Hundertjährige leben. Die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen dort traditionellerweise etwa ein Fünftel weniger Kalorien zu sich als ihre Landsleute auf der Hauptinsel. Die sparsame Ernährung könnte eine Erklärung für die extreme Langlebigkeit sein. Abgesehen davon gebe es zumindest ein paar wissenschaftliche Arbeiten, die einen positiven Zusammenhang zwischen kalorienreduzierter Kost und Gesundheit bei normal- und übergewichtigen Menschen feststellen konnten, z.B. die „Comprehensive Assessment of Long term Effects of Reducing Intake of Energy“-Studien (CALERIE), die bis zu zwei Jahren dauerten.

Echtes Leben vs. Labor

Trotz solcher Ergebnisse vermuten Kaeberlein und Co., dass die trendigen „Anti-Aging“-Diäten mehr versprechen, als sie am Ende halten können; womöglich können sie sogar schädlich sein. Selbst Laborstudien mit Ratten und anderen Modellorganismen liefern nicht immer positive Ergebnisse. Denn ob Hungern wirklich nützt, scheint von einer Reihe an Einflussfaktoren abzuhängen, unter anderem von den Genen und dem Geschlecht der Tiere.

Auch aus ganz anderen Gründen ließen sich Erkenntnisse aus Tiermodellen nur schwer auf Menschen übertragen, schreiben die Autoren und Autorinnen. Im Labor herrschen andere Bedingungen als im echten Leben. Man kann ganz genau kontrollieren, was eine Maus wann zu sich nimmt – und das jeden Tag, ein Leben lang. Umwelteinflüsse gibt es quasi keine. Für das Leben von Menschen gelte all das nicht. Insbesondere werden es nur die Allerwenigsten ein Leben lang durchhalten, ein- und dieselbe Diät zu befolgen. Im Gegenteil: Bei vielen werden die Fastenzeiten wechseln mit Zeiten, in denen sie ordentlich zulangen. Dass das und der dazugehörige „Jo-Jo-Effekt“ nicht besonders gesund ist, sei bekannt.

Nebenwirkungen unterschätzt

Generell sollte man mögliche negative Effekte und Nebenwirkungen von jeglicher Diät nicht unterschätzen, betonen Kaeberlein und Co. So können Hungerkuren bei manchen Menschen beispielsweise zu einem gestörten Temperaturempfinden, chronischer Erschöpfung, Schlafstörungen, Muskelschwäche und einer erhöhten Infektionsanfälligkeit führen.

Zudem liege die Vermutung nahe, dass ein- und dieselbe Diät für manche sehr gesund ist, anderen hingegen schadet. Das Wechselspiel von Ernährung, Gesundheit und Langlebigkeit sei eben kompliziert. Bevor man die mitunter sehr extremen „Anti-Aging“-Diäten Menschen empfiehlt, die eigentlich gesund sind, braucht es laut den Autorinnen und Autoren dringend mehr kontrollierte Studien. Dabei sollten nicht nur die zellulären und molekularbiologischen Auswirkungen genauer analysiert, sondern auch der Einfluss von Genen und Umwelt berücksichtigt werden.